Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
Brücke hindurch mitgerissen. Ich spürte einen gewaltigen Ruck und hatte danach das Gefühl, der größte Hund der Welt zerre an seiner Leine. Aber ich hielt den Jackenärmel eisern fest.
»Schwimm, Sarah! Schwimm!«
Das brauchte ich ihr nicht zwei Mal zu sagen. Ihre kräftigen Beinschläge und die Pendelwirkung der Strömung bewirkten gemeinsam, dass sie wie ein Fisch an der Angel ans Ufer getrieben wurde.
Ich stand auf und schaffte es, immer mehr »Seil« einzuholen, während ich über die Brücke zurücklief. Als ich das Ufer erreichte, war ich schon bei den Jeans angelangt. Ich setzte mich so ans Ufer, dass meine Beine ins Wasser hingen, und bekam Sarahs Hände zu fassen. Ich brauchte ihr nicht zu erklären, was sie als Nächstes tun musste. Als ich mich zurückwarf, benutzte sie meinen Körper als Klettergerüst und lag im nächsten Augenblick neben mir am Ufer.
Sarah hustete und rang keuchend nach Luft. Sie würde einige Zeit brauchen, um wieder halbwegs auf die Beine zu kommen, aber wir mussten weg von hier. Ich rappelte mich auf, beugte mich über sie, hob sie auf und legte sie mir wie ein Feuerwehrmann, der eine Verletzte rettet, über die Schulter. Dann raffte ich meine Kleidungsstücke zusammen und machte mich mehr stolpernd als rennend auf den Weg unter die
Bäume. Ich musste ein Versteck für uns finden, in dem wir vor dem Hubschrauber sicher waren.
Vor mir stieg das Gelände steil an. Ich setzte sie einen Augenblick ab, um wieder zu Atem zu kommen. Ich zitterte am ganzen Leib, und Sarah stöhnte leise, während sie ebenfalls gegen Kälte und Schock ankämpfte. Ich wollte unbedingt noch diesen Hügelrücken überwinden, damit wir vom anderen Ufer aus nicht zu sehen waren.
Sarahs Kopf lag auf meiner Schulter, sodass unsere Gesichter sich fast berührten. Ich sah nach vorn und konzentrierte mich auf die Bäume, aber ihre Worte hörte ich trotzdem. »Danke, Nick.« Ich wandte ihr mein Gesicht zu und tat mein Bestes, um nonchalant mit den Schultern zu zucken. Es machte mich verlegen, dass sie mir dankte - und nun schon zum zweiten Mal.
Sobald wir unter den Bäumen in Sicherheit waren, machte ich Halt und ließ Sarah zu Boden gleiten. Ich kehrte ihr den Rücken zu und lehnte mich erschöpft an einen Baum, während meine Lunge gierig Luft einsog. »Kommst du allein zurecht?«, fragte ich noch immer keuchend.
Zu meiner Überraschung hörte ich ihre Stimme dicht hinter mir. Ich spürte ihre Hand auf meiner Schulter, als sie antwortete: »Ich kann allein gehen. Komm, wir müssen weiter!«
Ich setzte mich in Bewegung und ging voraus, um einen Weg über den Hügel zu suchen. Hinter dem Kamm waren wir vom anderen Flussufer aus nicht mehr zu sehen, aber wir brauchten einen Unterschlupf, in dem wir vor dem Hubschrauber und dem kalten Wind sicher waren. Er war nicht mehr so stark wie vergangene Nacht, aber in unserem durchnässten, entkräfteten Zustand empfanden wir ihn als schneidend kalt.
Auf der Suche nach Schutz vor Wind und Wetter meidet man normalerweise Täler oder tiefe Senken, weil erwärmte Luft nach oben steigt, aber wir brauchten den dichten Wald als Deckung. Wir mussten einen Unterschlupf finden, in dem wir unsere restliche Körperwärme bewahren konnten und gleichzeitig so weit vom Brausen des Flusses entfernt waren, dass wir etwaige Verfolger rechtzeitig hören würden.
Als ich uns einen Weg durchs Unterholz bahnte, peitschten mir Nadelzweige ins Gesicht, und von Ästen, die ich streifte, regnete es wie aus Eimern auf uns herab.
Das beste Versteck, das ich finden konnte, lag unter einer ungefähr hundert Meter vom Fluss entfernt stehenden uralten Tanne, deren Zweige bis zum Erdboden herabhingen. Sarah hatte sichtbar Schmerzen, als sie unter den Zweigen hindurch zu dem Baumstamm kroch. Die Zweige begannen in ungefähr einem Meter Höhe und ragten zwei bis drei Meter heraus, bevor ihre Spitzen den Boden berührten. Bis auf das leise Rauschen des Windes in den äußeren Zweigen war es in dieser natürlichen Höhle ganz still. Selbst in Stammnähe war der Erdboden vom Regen feucht, aber es war wundervoll, überhaupt in Deckung zu sein. Fast augenblicklich machte sich ein bekannter psychologischer Effekt bemerkbar: Ist man glücklich irgendwie untergeschlüpft, fühlt man sich gleich etwas wärmer.
Wir drängten uns beide zitternd und mit den Zähnen klappernd gegen den Baumstamm. Adrenalin hatte uns aufgeputscht, während wir unterwegs waren, aber seine Wirkung ließ allmählich nach. Ich
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