Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
waren. Ich hätte die Packung aufreißen und nach der Farbe sehen sollen. Aber dagegen war nichts mehr zu machen; ich musste zusehen, dass ich wieder an den See kam. Alle übrigen Gegenstände, auch der kleine Plastikbehälter mit Feuerzeugbenzin, wanderten in den Hauptstauraum des Rucksacks.
Jetzt musste ich nur noch den Proviant vorbereiten. Ich faltete die großen Pizzascheiben zusammen und verpackte sie einzeln in Frischhaltefolie. Dann riss ich das Verpackungspapier von den Mars-Riegeln und wickelte sie paarweise in Folie. Als Nächstes öffnete ich die Büchsen mit Dosenfleisch und verpackte ihren Inhalt ebenfalls in
Frischhaltefolie, bevor ich den ganzen Proviant im oberen Bereich des Rucksacks verstaute. Als Nächstes zog ich die Preisaufkleber von meinem Handrücken und klebte sie übereinander auf die kleine Ladeanzeige meines Mobiltelefons. Dann rief ich das Menü auf und schaltete alle akustischen Signale ab.
Zuletzt blieb mir nur noch, mich reichlich mit Mückenöl einzureihen. Ich wusste nicht, ob ich das Zeug brauchen würde, aber ich wollte lieber Vorsorgen, als später wie verrückt zu kratzen. Dann setzte ich mich wieder ans Steuer und fuhr zum Falls Lake weiter. Der Himmel war wolkenverhangen, aber es regnete nicht - zumindest vorläufig nicht.
Ich schaltete das Autoradio ein und hörte, wie eine Frau erläuterte, Frauen in den Südstaaten wendeten mehr Zeit und Geld für Haarpflege auf als andere Amerikanerinnen. »Deshalb sollten wir diese magische Schaumpflege kaufen, die ...« Ich drückte auf den Sendersuchlauf und erwischte einen Mann, der uns Hörern erklärte, wer daran schuld sei, dass das Wetter verrückt spiele: El Niño. »Wir können hier in North Carolina noch von Glück sagen, dass wir nicht zu den hauptsächlich betroffenen Gebieten wie Arizona gehören - dort hat’s Wirbelstürme gegeben.« Ich drückte erneut auf die Taste und landete bei einem christlichen Sender. Hier erfuhr ich, die Klimaveränderungen seien das Werk Gottes, nicht das von El Niño. Der Allmächtige, dem unser sündiges Treiben offenbar missfiel, wollte uns auf diese Weise warnen. Der erste Schritt zur Erlösung sei vielleicht, eine der von diesem Sender für nur 99,99 Dollar angebotenen Bibeln mit luxuriösem Ledereinband zu kaufen. Alle großen Kreditkarten seien willkommen. Jetzt fuhr ich wieder durch Wald. Obwohl die Borduhr erst kurz nach 19 Uhr anzeigte, wurde es bereits dunkel - vor allem unter den Bäumen. Das war mir nur recht; ich wollte möglichst viel Zeit bei Dunkelheit haben, um ein Versteck zu erreichen und mich vor Tagesanbruch dort einzurichten, bevor ich festzustellen versuchte, ob Sarah in dem Haus war. Ich hoffte, dass sie dort war, denn sonst musste ich nach Washington zurück und ganz von vorn anfangen.
Ich hatte keine Zeit gehabt, mir einen guten Abstellplatz für mein Auto zu überlegen, aber vielleicht lockte der See auch abends Familien an, und der Parkplatz sah wie ein beliebter Treffpunkt für Liebespaare aus. Beides hieß, dass dort weitere Fahrzeuge stehen würden, zwischen denen mein Wagen nicht auffallen würde.
Ungefähr einen halben Kilometer vor dem Parkplatz musste ich schließlich doch die Scheinwerfer einschalten. Ich drehte rasch eine Runde. Auf dem Zeltplatz brannte an einigen Stellen Licht, aber ich sah nur ein weiteres Auto, das wohl dem jungen Paar gehörte, das sich unter dem Dach des Grillplatzes zu einem romantischen Tête-à-tête getroffen hatte. Mit der Romantik war es allerdings vorbei, als die beiden von meinen Scheinwerfern erfasst wurden und sich die Hände vor die Augen halten mussten, um nicht geblendet zu werden.
Ich parkte möglichst nahe am Grillplatz, aber doch nicht so nahe, dass ich dem jungen Paar beim Aussteigen »Hi!« zurufen musste. Allerdings hätten die beiden mich vermutlich gar nicht wahrgenommen. So viel ich sehen konnte, war er völlig damit beschäftigt, ihr an die Wäsche zu gehen, während sie sich zu seinem Pech mehr für die Steaks zu interessieren schien, die sie dort grillten.
Ein Blick über den See zeigte mir, dass in beiden Häusern Licht brannte. Ich war noch immer nicht auf dem Klo gewesen, deshalb beschloss ich, zu den Toiletten hinüberzugehen und meine neuen Stiefel mitzunehmen, um die Schnürsenkel einzuziehen, während ich auf dem WC saß. Die Luft war noch immer schwülwarm, und die Grillen zirpten so laut, dass sie das Geräusch meiner Schritte auf dem teilweise mit Schlamm bedeckten Kies des Parkplatzes
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