Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
vielleicht glauben, ich traute ihr nicht zu, sich ihre Sachen selbst auszusuchen. Zuletzt gab ich auf. Sie konnte einfach haben, was sie sich wünschte. Aber natürlich nur, wenn die Klinik mir so viel Geld ließ, dass ich es bezahlen konnte.
Dann erreichte ich endlich mein Ziel und stellte die Ducati ab. »Tue Moorings« war ein großes Stadthaus an einem mit Bäumen bestandenen Platz, ein frisch verfugter Klinkerbau mit viel Lackglanz und frischer Farbe. Alles an diesem Gebäude verkündete, dass es auf die Behandlung der Krankheiten von Reichen spezialisiert war.
Die Empfangsdame schickte mich ins Wartezimmer, das ich unterdessen sehr gut kannte, und ich blätterte dort in einem Magazin mit wundervollen Landhäusern von der Art, wie meines nie sein würde. Ich las gerade einen Artikel über die Vor- und Nachteile einer herkömmlichen Zentralheizung mit Heizkörpern im Vergleich zu einer Fußbodenheizung und überlegte mir, wie schön es sein musste, überhaupt eine zu haben, die funktionierte, als die Empfangsdame aufkreuzte und mich ins Sprechzimmer bat.
Dr. Hughes war imponierend wie immer. Sie war Mitte bis Ende fünfzig und sah so aus, als könnten sie und ihr Sprechzimmer jederzeit in einem Feature des Magazins OK! erscheinen. Mit ihrer grauen Mähne hätte sie eher eine amerikanische Fernsehmoderatorin als eine Seelendoktorin sein können. Mein Haupteindruck von ihr war, dass sie die meiste Zeit unglaublich mit sich selbst zufrieden war - vor allem wenn sie mich über ihre Lesebrille mit Goldrand hinweg ansah und mir erklärte, es tue ihr Leid, Mr. Stone, aber in solchen Fällen sei eine zeitliche Prognose in Bezug auf den Heilungsverlauf nicht möglich.
Ich lehnte den angebotenen Kaffee dankend ab. Bis er nämlich kam, wurde viel unnütze Konversation gemacht, und in diesem Laden war Zeit wirklich Geld.
Ich nahm in dem Sessel vor ihrem Schreibtisch Platz und stellte den Rucksack neben meine Füße. »Ihr Zustand hat sich nicht etwa verschlechtert, oder?«
Die Ärztin schüttelte ihren Kopf mit der grauen Mähne, antwortete aber nicht gleich.
»Wenn’ s um Geld geht ...«
Sie hob eine Hand und warf mir einen gönnerhaft geduldigen Blick zu. »Dafür bin ich nicht zuständig, Mr. Stone. Ich bin sicher, dass die Leute im Erdgeschoss alles unter Kontrolle haben.«
Das hatten sie allerdings. Und mein Problem war, dass Supermodels und Starfußballer sich vielleicht vier Riesen pro Woche leisten konnten, ich aber demnächst pleite sein würde.
Die Ärztin sah mich über ihre Lesebrille hinweg an. »Ich wollte mit Ihnen reden, Mr. Stone, mit Ihnen über Kellys Prognose sprechen. Sie ist noch immer sehr verschlossen, und wir machen nicht die geringsten Fortschritte in Bezug auf ihre Heilung. Sie erinnern sich, dass ich neulich von einem Verhaltensspektrum gesprochen habe, das von völliger Teilnahmslosigkeit bis zu manischer Aktivität reichen kann?«
»Sie haben mir erklärt, dass beide Extreme gleich schlimm seien, weil der oder die Betroffene nicht ansprechbar sei. Der erstrebenswerte Bereich liege irgendwo in der Mitte.«
Dr. Hughes lächelte kurz, als sei sie erfreut und vielleicht auch überrascht darüber, dass ich damals tatsächlich aufmerksam zugehört hatte. »Wie Sie sich erinnern werden, wollten wir versuchen, Kelly wenigstens teilweise aus ihrer Erstarrung zu holen. Wir haben gehofft, wir würden sie in den Mittelbereich des Spektrums zurückholen können, damit sie mit Menschen umgehen und Beziehungen aufbauen, sich anpassen und weiterentwickeln kann.« Sie griff nach einem Kugelschreiber und kritzelte etwas für sich selbst auf einen Zettel. »Leider muss ich sagen, dass Kelly weiterhin sehr passiv und geistesabwesend ist, sie steckt in einer Art Kokon und ist unfähig oder nicht bereit, sich mitzuteilen.«
Sie starrte mich wieder über ihre Lesebrille hinweg an, als wolle sie die Bedeutung des Gesagten unterstreichen. »Kleine Kinder leiden unter Gewalt, deren Augenzeugen sie werden, Mr. Stone, vor allem in Fällen, in denen Angehörige ihr Opfer werden. Kellys Großmutter hat mir geschildert, wie fröhlich und lebhaft sie früher war.«
»Früher hat es Spaß gemacht, mit ihr zusammen zu sein«, bestätigte ich. »Jetzt lacht sie gar nicht mehr über meine Witze.« Ich machte eine Pause. »Vielleicht sind sie nicht mehr so gut wie früher.«
Meine Bemerkung schien die Ärztin leicht enttäuscht zu haben. »Ich fürchte, dass ihr jetziges Verhalten sich so sehr von ihrem früheren
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