Nick Stone - 04 - Eingekreist
solchen
Dingen umgehen, aber ich … ich bin einfach nicht dafür geeignet.«
Ich wusste, dass das eine falsche Einschätzung war, aber ich fand nicht die richtigen Worte, um ihn
aufzurichten. Die fehlten mir in solchen Situationen immer.
»Vor ein paar Jahren habe ich gesehen, wie ein paar Kerle umgelegt wurden. Davon hatte ich Albträume.
Und als ich dann Diegos Leiche und diese armen, in
Stücke gehackten Leute am Straßenrand gesehen habe, konnte ich einfach …«
»Hat er Ihnen erzählt, was passiert ist?«
»Ein Raubüberfall. FARC. Sie haben sie mit solchen
Dingern in Stücke gehackt.« Er deutete auf die Machete unter meinen Füßen. »Das ist eigentlich unbegreiflich –
normalerweise lassen sie die Landbevölkerung in Ruhe.
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Kein Geld.« Aaron seufzte, packte das Lenkrad etwas fester und beugte sich leicht nach vorn. »Haben Sie gesehen, wie sie die Kids zugerichtet haben? O Gott, wie können Menschen nur so grausam sein?«
Ich wollte das Thema wechseln. »Hören Sie, Kumpel,
ich glaube, wir sollten zusehen, dass wir Diego bald loswerden. Sobald es ein wenig heller wird, suchen wir uns ein Versteck für ihn. Diesen Scheiß können wir nicht noch mal durchmachen.«
Er ließ den Kopf hängen und nickte langsam. »Klar,
klar, Sie haben Recht.«
»Das ist okay, er wird früher oder später gefunden
und anständig beigesetzt …«
Wir fuhren weiter. Keiner von uns wollte noch über
Diego oder andere Leichen sprechen.
»Auf welcher Seite sind wir?«
»Auf dem Pan-American Highway.«
Den hatte ich mir anders vorgestellt. Wir holperten durch Spurrillen und Schlaglöcher.
»Führt von Alaska bis nach Chile hinunter – mit
Ausnahme eines dreiundneunzig Meilen langen
Abschnitts in der Darien-Lücke. Es gibt Pläne, auch diesen Abschnitt auszubauen, aber wegen der Lage in Kolumbien und der Waldzerstörung durch den
Straßenbau ist uns der jetzige Zustand lieber.«
Ich kannte den südlichen Teil dieser Fernstraße; ich hatte ihn schon oft genug benützt. Aber ich wollte diese Unterhaltung weiterführen, um nicht nachdenken zu
müssen. Ich beugte mich nach vorn und rieb an dem
Notverband. Mein Bein schmerzte mittlerweile ziemlich 262
stark. »Lieber keine Straße?«
»Dieses Gebiet gehört zu den bedeutendsten
Regenwäldern, die es in Nord- und Südamerika noch
gibt. Keine Straße bedeutet keine Holzfäller oder
Farmer, und der Dschungel bildet eine Art Pufferzone zu Kolumbien. Bei den Einheimischen heißt sie
allgemein ›Bosnien West‹ …«
Das Scheinwerferlicht ging auf beiden Seiten der
Straße ins Leere. »Wohin fahren wir, zur Darien-
Lücke?«
Aaron schüttelte den Kopf. »Selbst wenn wir das
wollten, ist die Straße später nur noch einspurig und bei diesem Regen praktisch unpassierbar. Wir verlassen sie bei Chepo – in ungefähr zehn Minuten.«
Im Osten war der erst blasse Schimmer des
heraufziehenden Tages zu erahnen. Wir holperten eine Zeit lang schweigend weiter. Meine Kopfschmerzen
brachten mich fast um. Unsere Scheinwerfer
beleuchteten nur Grasbüschel und Tümpel, in denen
schlammiges Wasser stand. Diese Gebiet war fast so
kahl wie eine Mondlandschaft. Keine gute Gegend, um eine Leiche zu verstecken. »Hier gibt’s nicht viel Wald, was, Kumpel?«
»Hey, was soll ich dazu sagen? Gibt’s irgendwo eine Straße, gibt’s auch Holzfäller. Die hören nicht auf, bevor alles platt ist. Und dabei geht’s nicht nur um Geld, sondern die Einheimischen halten es auch für männlich, Bäume zu fällen. Nach meiner Schätzung werden
weniger als zwanzig Prozent der Wälder Panamas die
nächsten fünf Jahre überleben. Inklusive der Bestände in 263
der Kanalzone,«
Ich dachte an Charlie und seinen neuen Landsitz.
Nicht nur die Holzfäller schlugen große Breschen in Aarons geliebten Dschungel.
Während wir weiterfuhren, brach allmählich ein
trübselig grauer Tag an. Nebelfetzen zogen über die Straße. Vor uns flog ein Schwarm von mindestens
hundert großen schwarzen Vögeln auf, die mit ihren
langen Hälsen verdächtig an Pterodaktylen erinnerten.
Links voraus tauchten dunkle Bäume aus dem Nebel
auf. Ich zeigte auf sie. »Wie wär’s dort vorn?«
Aaron überlegte mehrere Sekunden lang, während die
Bäume näher kamen. Er wirkte plötzlich wieder
verstört, als habe er es geschafft, vorübergehend zu vergessen, was wir hinten im Wagen hatten. »Dort
könnte es gehen, aber es ist nicht mehr weit bis zu der Stelle, wo ich ihn anständig begraben
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