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Nick Stone - 04 - Eingekreist

Nick Stone - 04 - Eingekreist

Titel: Nick Stone - 04 - Eingekreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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traurige Seite von Chepo hatte es keineswegs eilig, den neuen Tag zu begrüßen. Das konnte ich ihr nicht
    verübeln.
    Ein einzelner Hahn ließ seinen Weckruf ertönen, als die Hütten allmählich in größere einstöckige Häuser übergingen, die ebenfalls willkürlich errichtet zu sein schienen, wo gerade Platz gewesen war. Statt
    Gehsteigen gab es hier Lattenroste, die hierhin und dorthin führten und auf halb im Schlamm versinkenden Felsbrocken ruhten. Abfälle wurden zu Haufen
    aufgetürmt, die dann wieder zerfielen und breit getreten wurden. Ein grässlicher Gestank zog durchs Fahrerhaus des Mazda. Im Vergleich zu diesen Bruchbuden erschien mir das Wohnheim in Camden Town wie ein
    Luxushotel.
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    Etwas später kamen wir an einer Tankstelle vorbei,
    die geschlossen war. Die alten, verrosteten Zapfsäulen mit ovalen Aufsätzen stammten noch aus den
    Siebzigerjahren. Im Lauf der Zeit war hier so viel
    Dieselöl verschüttet worden, dass der Erdboden von
    einer glitschigen Teerschicht bedeckt zu sein schien.
    Regenwasser bildete schwarze, ölig schillernde Pfützen.
    Zwischen verblassten Girlanden hingen das Pepsi-
    Firmenschild und eine Reklame für Firestone-Reifen
    vom Tankstellendach.
    Wir kamen an einem rechteckigen Gebäude vorbei,
    das wieder aus unverputzten Hohlblocksteinen bestand.
    Der aus den Fugen quellende Mörtel war nicht
    verrieben worden, und die Maurer hatten offensichtlich nichts von der Verwendung eines Senkbleis gehalten.
    Ein sehniger alter Indianer, der zu einer grünen
    Fußballhose ein Netzhemd und gelbe Badelatschen trug, hockte vor dem Eingang und hatte eine Selbstgedrehte vom Kaliber einer mittleren Zigarre im Mundwinkel
    hängen. Durch die Fenster konnte ich Ladenregale mit Konservenbüchsen sehen.
    Ein Stück weiter stand – wieder auf Pfählen – eine
    große Holzhütte. In irgendeinem Stadium ihrer Existenz war sie einmal blau gestrichen worden, und ein Schild verkündete, dies sei ein Restaurant. Als wir es
    erreichten, sah ich vier Jaguarfelle, die ausgebreitet an die Verandawand genagelt waren. Unter ihnen war in
    einem Eisenkäfig das magerste Jaguarweibchen
    angekettet, das ich je gesehen hatte. Es hatte kaum genug Platz, um sich umdrehen zu können, und stand
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    einfach nur da und wirkte stinksauer – was ich auch gewesen wäre, wenn ich den ganzen Tag meine an die
    Wand genagelten besten Kumpel hätte anstarren
    müssen. Mir hatte noch nie ein Tier so Leid getan wie diese Raubkatze.
    Aaron schüttelte den Kopf. Hinter diesem Bild steckte offenbar eine Geschichte. »Scheiße, halten sie die noch immer im Käfig?« Seine Stimme klang zum ersten Mal
    zornig. »Ich weiß genau, dass sie auch Schildkröten verkaufen, obwohl die geschützt sind. Das dürfen sie nicht. Hier zu Lande darf man nicht mal einen Papagei in einem Käfig halten, Mann, das ist gesetzlich verboten
    … Aber die Polizei? Scheiße, die macht sich die ganz Zeit bloß Sorgen wegen der Drogenschmuggler.«
    Er zeigte nach links vorn. Wir fuhren auf etwas zu, das mich an einen schwer gesicherten Armeeposten in Nordirland erinnerte. Ein hoher Wellblechzaun mit
    Stacheldraht schützte die von der Straße aus nicht
    sichtbaren Gebäude. Sandsäcke waren vor
    Feuerstellungen übereinander gestapelt, und aus der neben dem großen zweiflügligen Tor ragten Lauf und
    Korn eines amerikanischen M-60-MGs. Ein großes
    Schild mit einem militärischen Motiv verkündete, dies sei die Polizeistation.
    Neben der Polizeistation waren vier riesige
    Sattelschlepper abgestellt, deren ebenfalls riesige Auflieger mit entrindeten Baumstämmen beladen waren.
    Aarons Stimme war jetzt heiser vor Zorn. »Sehen Sie sich das an! Erst fällen sie jeden Baum, den sie erreichen können, und bevor sie die Stämme flößen, damit diese 270
    Kerle sie flussabwärts aufsammeln können, tränken sie die Stämme mit Chemikalien. Die vergiften alles Leben im Wasser. Entlang der Flüsse gibt’s keine
    Subsistenzwirtschaft, keinen Fischfang, nichts, nur noch Rinderherden.«
    Wir ließen das deprimierende Chepo hinter uns und
    fuhren durch unebenes Grasland mit Kratern, in denen rostbraunes Wasser stand. Meine Sachen waren an
    manchen Stellen noch feucht, an anderen sogar ziemlich nass, weil meine Körperwärme nicht genug wirkte. Mein Bein schmerzte schon weniger – bis ich es streckte, wobei der dünne Schorf aufplatzte. Wenigstens hatte Aarons gerechter Zorn über die Zustände in Chepo ihn von Diego abgelenkt.
    Die Straße wurde ständig

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