Nick Stone - 04 - Eingekreist
geschätzt. Fünfundvierzig Minuten
später fuhren wir auf eine weite Lichtung hinaus, die zum größten Teil hinter einem Gebäude lag, dessen
Giebelseite ungefähr zweihundert Meter vor uns
aufragte. Es sah aus wie selbst entworfen und gebaut.
Die Wolken hatten sich aufgelöst und enthüllten die Sonne und blauen Himmel. »Das ist unser Haus.«
Aarons Stimme klang nicht sonderlich begeistert. Er setzte seine Sonnenbrille wieder auf, aber für mich kam es nicht in Frage, wieder die Jackie Os zu tragen – nicht, wenn ich gleich der Besitzerin begegnen würde.
Links vor mir und der Giebelseite des Hauses
gegenüber lag ein steil abfallender Hügel, der mit
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weiteren gefällten Bäumen und verrottenden
Baumstümpfen bedeckt war, zwischen denen
Grasbüschel wuchsen. Der Rest der Lichtung war
uneben, aber relativ flach.
Wir folgten der Fahrspur zum Haupthaus, das mehr
oder weniger eingeschossig war: ein weitläufiger
Bungalow mit Ziegeldach und schmutzig grün
verputzten Außenmauern. Vorne war eine Veranda mit
Blick auf die Hügel in der Umgebung angebaut. Hinter dem Wohngebäude ragte ein Anbau aus Wellblech auf,
der ungefähr doppelt so groß wie das Haus war und ein viel höheres Dach hatte.
Rechts sah ich mehrere Reihen von
Zwanzigliterbehältern, hunderte dieser Dinger aus
weißem Kunststoff, die jeweils gut dreißig Zentimeter hoch waren und einen ähnlichen Durchmesser hatten.
Ihre Deckel waren aufgesetzt, aber aus den
hineingeschnittenen runden Löchern wucherten alle
möglichen Pflanzen, die in verschiedenen Formen und Farben blühten. Man hätte glauben können, Carrie und Aaron führten das erste Gartencenter in diesem Gebiet.
Mir kam es vor, als sei dies der Drehort von The Good Life à la Panama.
Um uns herum standen mehrere Wellblechschuppen,
in denen Holzfässer und -kisten gestapelt waren. Vor einem Schuppen stand ein verrottender alter
Schubkarren aus Holz. Rechts hinter den Pflanzkübeln war ein mit Wellblech überdachtes Stromaggregat zu
sehen, hinter dem mindestens zwei Dutzend
Zwanzigliterkanister mit Dieselöl standen.
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Als wir näher kamen, konnte ich Fallrohre sehen, die von der Dachrinne in Regentonnen aus grünem
Kunststoff führten, die entlang der Außenmauern des Wohngebäudes aufgestellt waren. Über dem Dachfirst
stand auf einem Gerüst aus Stahlstangen ein großer
Wasserbehälter aus blauem Kunststoff; etwas tiefer war ein alter Blechbehälter montiert, aus dem alle möglichen Rohre kamen. Ebenfalls auf dem Dach angebracht waren zwei Satellitenschüsseln, von denen eine nach Osten und eine nach Westen zeigte. Vielleicht sahen die
Hausbewohner gern kolumbianisches und panamaisches
Fernsehen. Trotz aller Technik war dies eindeutig ein Planet der Baum-Umarmer; um das Bild zu
vervollständigen, fehlten hier eigentlich nur noch zwei glückliche Milchkühe, die Yin und Yang hießen.
Als wir dem Haus näher kamen, sah ich den zweiten
Pickup, der auf der anderen Seite der Veranda stand.
Aaron hupte ein paarmal und machte ein besorgtes
Gesicht, als Carrie auf die Veranda kam und dabei ihre Panoramasonnenbrille aufsetzte. Sie trug dieselben
Klamotten wie gestern auf dem Flughafen, hatte jetzt aber eine Gelfrisur.
»Bitte, Nick – kein Wort.«
Der Mazda hielt, und er sprang aus dem Wagen, als
sie die Stufen vor der Veranda herunterkam. »Hi.«
Ich stieg ebenfalls aus und kniff die Augen zusammen, um gegen das blendend helle Sonnenlicht und meine
Kopfschmerzen anzukämpfen.
Ich machte einige Schritte auf die beiden zu, blieb dann jedoch stehen, um sie nicht einzuengen. Aber es 276
gab keine große Begrüßung, keine Küsse oder
Umarmungen, nur ein paar belanglose Worte.
Ohne mir viel zu denken, außer dass mir heiß und
unbehaglich zu Mute war, ging ich auf das Ehepaar zu.
Ich schaltete auf meinen freundlichen Ton gegenüber Gastgeberinnen um. »Hallo.«
Sie hatte doch kein Gel im Haar; sie hatte nur gerade geduscht.
Mein Hinken und meine zerrissene Jeans fielen ihr
auf. »Was ist passiert? Alles in Ordnung mit Ihnen?«
Ich sah bewusst nicht zu Aaron hinüber. Blicke
können zu viel verraten. »Ich bin in eine Tierfalle oder dergleichen geraten. Ich muss …«
»Dann gehen Sie am besten schnell unter die Dusche.
Ich habe Porridge für Sie gekocht.«
»Klingt wundervoll.« Es klang wie Scheiße.
Sie wandte sich ab, um ins Haus zurückzugehen, aber Aaron hatte etwas anderes vor. »Weißt du was? Ich
mache erst mal den Wagen sauber
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