Nick Stone - 04 - Eingekreist
waren, hinter hohen
Bücherregalen. Unterbrochen wurden sie nur von einem weiteren Fenster, ebenfalls mit einem Fliegengitter, das die einzige weitere natürliche Lichtquelle zu sein schien.
Ich begann Porridge zu riechen. Aus dem großen
Kochtopf auf einer der Gasflammen stieg Dampf auf. Auf der Arbeitsplatte stand eine Schale mit Orangen, neben der eine halbe Bananenstaude lag.
Carrie verschwand durch die Tür, und ich folgte ihr in den größeren Anbau aus Wellblech. Die Wände
waren mit Sperrholz verkleidet; der Boden bestand aus einem rauen Zementestrich. Von der hohen Decke
hingen an langen Stahlstangen zwei alte und sehr
schmutzige Casablanca-Ventilatoren herab. Dieser
Raum war viel heißer als das Haus, aus dem wir kamen, aber auch heller, weil hoch in die Wände eingesetzte Felder aus durchsichtigem gewelltem Kunststoff als
Fenster dienten.
Dieser Anbau mochte billig und primitiv sein, aber
was er enthielt, war es durchaus nicht. An der Querwand vor mir und entlang der linken Wand verlief eine
einzige Arbeitsfläche aus zusammengestellten
Tapeziertischen. An der Wand vor mir hatte ich zwei PCs mit über den Bildschirmen montierten
Webkameras; vor beiden stand je ein Regiestuhl mit
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grünem Segeltuchbezug, der an den Rückenlehnen
heruntergesackt und ziemlich abgenutzt war. Auf dem rechten Monitor war die Miraflores-Schleuse zu sehen.
Das musste eine Online-Übertragung sein, denn ich
konnte beobachten, wie die Elektroloks einen Frachter aus der Schleusenkammer bugsierten. Das Glitzern auf den Pfützen im Gras zeigte, dass nicht nur hier draußen in den Hügeln die Sonne schien.
Der linke PC war ausgeschaltet; über seiner
Webkamera hing eine Hör-Sprech-Garnitur. Beide
Geräte waren von verschiedenstem Büromaterial
umgeben; die Unordnung setzte sich unter den Tischen fort, wo zwischen dem Kabelsalat große Kartons mit
weiterem Zeug standen. Auf der Arbeitsfläche an der linken Wand vor mir stand ein dritter PC – ebenfalls mit Scanner, Drucker und Webcam, an der eine HörSprech-Garnitur hing –, um den herum Schulbücher
gestapelt waren. Das musste Luce’ Reich sein.
Carrie verschwand sofort nach rechts durch die
einzige weitere Tür, und ich folgte ihr. Wir betraten einen Lagerraum, der viel kleiner als die beiden anderen Bereiche und viel heißer war. Hier roch es wie in einem Lebensmittelgeschäft. An den Seitenwänden standen
hohe Regale aus grauen Winkeleisenträgern, sodass nur in der Mitte ein Gang blieb. Links und rechts von uns waren Kartons mit Konservenbüchsen, Sturmlampen,
Taschenlampen und Batterien gestapelt. Auf Paletten auf dem Boden standen riesige Säcke mit Reis, Mehl, Zucker, Haferflocken, Milchpulver und weiteren
Lebensmitteln. Bestimmt genügend Vorräte, um drei
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Personen ein Jahr lang gut zu ernähren. Mitten im
Gang stand ein Feldbett aus Beständen der U.S. Army mit einer leichten dunkelgrünen Militärdecke, die noch in ihrer durchsichtigen Plastikhülle steckte. »Das ist für Sie.«
Während Carrie rasch die Tür zum Computerraum
schloss, wodurch es im Lagerraum fast finster wurde, nickte sie zu der Wellblechtür vor uns hinüber. »Die führt ins Freie. Dort draußen sehen Sie besser. Ich komme mit dem Erste-Hilfe-Kasten hinaus.«
Ich ging an ihr vorbei, ließ meine Jacke auf das
Feldbett fallen, drehte mich um und sah sie eines der Regale ersteigen. »Könnte ich bitte das Bildmaterial sehen?«
Sie sah nicht zu mir hinunter. »Klar.«
Ich trat ins Freie. Diese Seite des Anbaus lag im
Schatten, was gut war, weil es in meinem Kopf wie
verrückt hämmerte und ich volles Sonnenlicht nicht gut vertragen hätte. Um mich herum schienen weiter
Dutzende von Grillen zu zirpen; auch das half nicht gerade gegen Kopfschmerzen.
Vor mir, ungefähr zweihundert Meter entfernt,
standen die langen Reihen weißer Kunststoffbehälter, aus denen blühende Pflanzen wucherten. Um sie herum glitzerten Pfützen in der Sonne, während das
Stromaggregat im Hintergrund rhythmisch tuckerte. In der Ferne, wo die Pflanzkübel die Fahrspur erreichten, stand Aaron mit einem Schlauch in der Hand und
spritzte den Laderaum seines Pickups aus. Ein Schwarm großer schwarzweißer Vögel flatterte aus den Bäumen 283
hinter ihm auf und flog mit rauschenden Flügelschlägen dicht über den First des Hauses hinweg.
Ich hockte mich auf den über die Wand
hinausragenden Betonsockel, lehnte mich mit dem
Rücken an eine der grünen Regentonnen und schloss für
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