Nick Stone - 04 - Eingekreist
sie eine lange Rauchfahne ausblies. »Jemand wie Sie kifft natürlich nicht, stimmt’s? Vielleicht haben Sie Angst, Sie könnten dann überrumpelt werden. Was denken Sie?«
»Aaron hat mir erzählt, dass Sie sich an der Universität kennen gelernt haben ...«
Sie nickte, während ich das Magazin mit Patronen zu füllen begann. »1986. Ohne ihn hätte ich nie bis zur Promotion durchgehalten. Ich war eine seiner Studentinnen.«
Sie beobachtete mich erwartungsvoll lächelnd, als kenne sie die übliche Reaktion auf ihre Mitteilung nur allzu gut. Meine schien ihren Erwartungen zu entsprechen.
Ihr Tonfall forderte mich heraus. »Ach, kommen Sie, Nick, haben Sie sich niemals zu einer älteren Frau
hingezogen gefühlt?«
»Yeah, zu Wonder Woman, aber da war ich so alt wie Luz.«
Damit brachte ich sie zum Lachen, obwohl daran auch das Kicherkraut mit Schuld sein konnte.
»Die Hälfte aller Professoren hat letztlich eine Studentin geheiratet. Manchmal mussten sie sich von einer scheiden lassen, um eine andere heiraten zu können — aber warum sollte wahre Liebe sich an einer Universität störungsfreier entwickeln als anderswo?«
Ich spürte, dass dies eine gut eingeübte Erklärung für ihre Beziehung zu Aaron war. »Es war großartig, zum Studium hier zu bleiben, während meine Eltern nach Norden zurückgegangen sind und sich dort haben scheiden lassen«, fuhr sie fort. »Sie wissen schon, eine konservative katholische Familie, die zerbricht . die rebellischen Jugendjahre, der verständnislose Vater ... der übliche Kram.« Ihr Blick war wieder auf mich gerichtet, und sie lächelte, als denke sie an diese schönen Jahre, während sie einen weiteren Zug nahm. »Es ist sogar fast Brauch, mit seinem Professor zu schlafen, wissen Sie. Nicht unbedingt als Übergangsritual, mehr als eine Art Visumstempel — als Beweis dafür, dass man dort war. Jemand wie Sie müsste das eigentlich verstehen, nicht wahr?«
Ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte keine Ahnung, wie es an Universitäten zuging, aber jetzt wünschte ich mir, ich hätte eine Vorstellung davon.
Carrie griff nach dem geladenen Gewehr, das zwischen uns lag. Der Verschlusshebel war zurückgezogen, und sie überzeugte sich davon, dass die Kammer leer war, bevor sie die Waffe über ihre Knie legte. Dann schob sie den Hebel langsam nach vorn, sodass er die oberste Patrone aus dem Magazin in die Kammer mitnahm. Aber statt den Hebel herunterzudrücken, um das Gewehr schussbereit zu machen, zog sie ihn nach hinten und warf so die Patrone aus, die leise klirrend ins Gras fiel. Dann schob sie den Hebel wieder nach vorn, um den Vorgang zu wiederholen.
»Wie passt Luz da hinein?« Schon als ich zu sprechen begann, war mir klar, wie taktlos meine Frage war, aber ich konnte mich nicht mehr bremsen. »Sie ist kein uneheliches Kind, nicht wahr?«
Sie hätte natürlich eines sein können; Carrie hätte sie von einem anderen Mann haben können. Ich versuchte mich aus meiner peinlichen Lage zu befreien. »So hab ich’s nicht gemeint, ich wollte nur sagen, dass Luz nicht .«
Carrie unterbrach mich lachend, um mir zu Hilfe zu kommen. »Nein, nein, Sie haben Recht, sie ist nicht unser Kind. Wir haben sie gewissermaßen adoptiert.«
Sie nahm einen langen, nachdenklichen Zug, hielt den Kopf gesenkt und konzentrierte sich darauf, langsam eine weitere Patrone auszuwerfen. Ich musste unwillkürlich an Kelly und daran denken, wie gründlich meine Version eines Adoptivverhältnisses in den letzten drei bis vier Jahren schief gegangen war.
»Sie war meine beste, eigentlich meine einzige Freundin, Lulu ... Luz ist ihre Tochter ... >Just Cause<.«
Sie sah ruckartig auf. »Sie wissen, was das war?«
Ich nickte. Das konnte sie allerdings nicht sehen, weil sie den Kopf schon wieder gesenkt hatte. »Die US- Invasion im Dezember ’89. Waren Sie damals beide hier?«
Carrie zog den Verschlusshebel zurück, um die dritte Patrone auszuwerfen, und schüttelte langsam und traurig den Kopf. »Was Krieg wirklich ist, weiß man erst, wenn man einen mitgemacht hat. Aber das brauche ich Ihnen bestimmt nicht zu erzählen.«
»Meistens an Orten, die ich nicht mal richtig aussprechen kann, aber Kriege sind überall gleich — Scheiße und Durcheinander, ein Albtraum.«
Die vierte Patrone flog sich überschlagend aus der Kammer. »Ja, da haben Sie Recht. Scheiße und Durcheinander .« Sie hob eine Patrone auf und spielte damit, während sie an ihrem Joint zog, dessen Glut hell aufleuchtete.
Sie
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