Nick Stone - 04 - Eingekreist
mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rücken und atmete hastig und flach. Meine Atemfrequenz war ganz ähnlich, als ich wieder zu Atem zu kommen versuchte. Luz kniete über sie gebeugt neben ihr. Ich richtete sie sanft auf. »Du musst deiner Mom und mir helfen. Ich möchte, dass du dich hier hinter mir hinkniest. Kommt jemand, drehst du dich einfach um und stößt mich an — nichts sagen, nur kurz anstoßen, okay? Tust du das?«
Luz sah zu ihrer Mutter hinüber, dann nickte sie.
»Das ist gut — deine Aufgabe ist wirklich wichtig.« Ich ließ sie mit dem Gesicht zum Waldrand hinter mir hinknien, bevor ich mich Carrie zuwandte. Sie würde unter keinen Umständen selbst weiterlaufen können, aber das war nicht meine größte Sorge; jetzt kam es darauf an, ihre Wunde zu verarzten.
Ich machte mir nicht einmal die Mühe, ihr zu erklären, was ich vorhatte, als ich mich über ihren rechten Fuß beugte und mich daran machte, den ausgefransten Saum der Cargohose mit den Zähnen aufzureißen. Sobald ein Anfang gemacht war, packte ich mit beiden Händen zu und riss das Hosenbein der Länge nach auf. Als die Verletzung freigelegt wurde, sah ich, dass dies keine Schusswunde war. Carrie musste schlimm gestürzt sein und sich dabei den Oberschenkel gebrochen haben. Ich sah den abgesplitterten Knochen aus dem rohen, blutigen Fleisch ragen, aber der Oberschenkelmuskel schien weitgehend unverletzt zu
sein.
Ich bemühte mich um einen optimistischen Tonfall. »Alles nicht so schlimm.«
Sie gab keine Antwort; ich hörte nur ihr flaches, hastiges Atmen.
Im Umgang mit verwundeten Kameraden hatte ich mich immer mit rauer Herzlichkeit begnügt, statt auf ihre Ängste einzugehen. Dieser Fall lag anders: Ich wollte sie beruhigen, ihr versichern, alles werde in Ordnung kommen. »Die Wunde sieht schlimmer aus, als sie ist. Ich sorge dafür, dass sie nicht noch schlimmer wird, und dann schaffe ich dich zu einem Arzt. Der bringt dich wieder in Ordnung.«
Sie schien mit zurückgelegtem Kopf das Laubdach über uns anzustarren. Ihr Gesicht war zu einer schrecklichen Grimasse verzerrt, ihre Augen waren fest zugekniffen.
Ich wischte Laubteilchen ab, die auf ihrer mit Schweiß bedeckten Stirn klebten, und flüsterte ihr ins Ohr: »Es ist wirklich nicht sehr schlimm . der Knochen ist glatt gebrochen. Du hast nicht viel Blut verloren, aber ich muss dafür sorgen, dass der Knochen sich nicht bewegen und noch mehr Schaden anrichten kann. Das wird noch mal schmerzhaft — das weißt du, nicht wahr?«
Ich sah auf und stellte fest, dass Luz, die auf ihrem zugewiesenen Platz kniete, uns beobachtete. Ich reckte einen Daumen hoch, aber ihre Antwort bestand nur aus einem flüchtigen halben Lächeln unter Tränen.
Carries Brust hob und senkte sich, als sie keuchend atmete und nur innerlich schrie, während sie die
Schmerzen ertrug.
»Carrie, du musst mir helfen, tust du das, hilfst du mir? Ich möchte, dass du dich an dem Baum hinter dir festhältst, wenn ich es sage, okay?«
Sie zwang sich unter Tränen dazu, drei Worte hervorzustoßen: »Los, mach schon.«
Irgendwo vor uns am Waldrand war ein weiterer Feuerstoß zu hören. Luz fuhr zusammen und sah sich nach mir um. Ich legte beide Hände an den Mund und flüsterte: »Schon in Ordnung, schon in Ordnung.«
Danach fielen keine Schüsse mehr, und Luz konzentrierte sich wieder auf ihren Wachdienst. In der rasch herabsinkenden Abenddämmerung stiegen weitere Leuchtkugeln auf, während ich Carries zweieinhalb Zentimeter breiten Webgürtel behutsam aus den Schlaufen ihrer Cargohose zog und vor ihre Füße legte. Dann zog ich mein Sweatshirt aus, obwohl ich wusste, dass die Moskitos nun gnadenlos über mich herfallen würden.
Ich riss einen Ärmel an der Schulternaht ab. Carries Augen waren geschlossen, und ihre Lippen bebten, als ich anfing, die großen, wachsartigen Blätter abzureißen, die um uns herabhingen. »Dauert noch eine Minute. Als Erstes muss ich dein gesundes Bein neben das verletzte legen. Das tue ich so vorsichtig wie möglich.«
Ich rollte die großen Blätter zigarrenförmig zusammen und füllte damit den Raum zwischen ihren Beinen aus, damit sie als Polster dienen konnten. Ich machte weiter, ohne mich von weit entfernten spanischen Rufen stören zu lassen, und griff dann nach dem gesunden Bein. »Jetzt geht’s los, jetzt geht’s los.« Sie atmete rasch und keuchend, als liege sie in den Wehen. Als ich ihr Bein behutsam neben das andere legte, hörte ich die ersten Regentropfen
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