Nick Stone - 04 - Eingekreist
Deshalb nickte ich ihr dankend zu und setzte mich in Richtung Straße in Bewegung. Selbst mitten in dieser Krise hatte sie einen Augenblick Zeit für mich. »Du musst aufhören, dir Sorgen zu machen, Nick. Das schadet dem hier, weißt du.« Sie tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe. »Solche Fälle hab ich hier schon mehrmals erlebt, Darling.«
Während die Rangelei am Fuß der Treppe weiterging, klingelte eines der Telefone hinter ihr. »Hab zu tun, Schätzchen. Hoffentlich kommen die Dinge wieder ins Lot — das tun sie normalerweise, weißt du. Alles Gute, Darling!«
Draußen übertönte Baulärm das Geschrei der Festgenommenen. Ich stand mit hängenden Schultern auf den Stufen vor dem Haus und starrte das Gehsteigpflaster an, während die an der Schlägerei Beteiligten abgeführt wurden. Ihre wütenden Proteste gingen im Hämmern von Pressluftbohrern unter.
Punkt 15 Uhr fuhr der Mercedes-Kombi vorbei und fand ein Stück die Straße hinunter einen Parkplatz. Laufschuhe saß am Steuer, Sundance auf dem
Beifahrersitz. Sie ließen den Motor laufen.
Ich hievte meinen tauben Hintern von der Treppe hoch und schleppte mich in ihre Richtung. Sie trugen dieselben Klamotten wie an diesem Morgen und tranken Kaffee aus Pappbechern. Ich ließ mir Zeit — nicht um sie warten zu lassen, sondern weil mein Körper sich genau wie mein Verstand nicht schneller bewegen konnte.
Sie nickten mir nicht einmal zu, als ich hinten einstieg, und schnallten sich wieder an.
Als wir anfuhren, warf Sundance mir über die Schulter einen braunen Umschlag zu. »Ich habe schon fünfhundert vom Konto abgehoben, versuchen Sie’s also heute nicht noch mal. Das deckt die gepumpten fünfundachtzig — plus Zinsen.«
Sie grinsten sich an. Ihr Job hatte seine guten Seiten.
Mein neuer Reisepass und die Kreditkarte waren druckfrisch, aber fachmännisch gealtert. Weiterhin enthielt der Umschlag meine neue PIN-Nummer und ein Ticket für den Flug Miami-Panama morgen Abend um 19.05 Uhr. Wie ich bis dahin nach Miami kommen sollte, machte mir keine Sorgen — ich würde es bald genug erfahren.
Ich blätterte meine Sichtvermerke durch, damit ich wusste, dass ich im Juli zwei Wochen Urlaub in Marokko gemacht hatte. Die Ein- und Ausreisestempel hatten alle einen gewissen Zusammenhang mit der Wahrheit — ich war dort gewesen, nur nicht dieses Jahr. Aber so konnte ich wenigstens eine Routinebefragung durch Beamte der Zoll- und Einwanderungsbehörde überstehen. Ansonsten lautete meine Legende wie immer: Ich war nach einem langweiligen Dasein als Versicherungsvertreter auf Reisen; ich kannte schon fast ganz Europa und wollte nun den Rest der Welt sehen.
Nur mein Deckname gefiel mir überhaupt nicht. Hoff
— wozu Hoff? Das klang nicht richtig. Nick Hoff, Nick Hoff. Der Name fing nicht mal mit demselben Buchstaben wie mein richtiger Nachname an, sodass es schwierig war, nicht verwirrt und zögerlich zu wirken, wenn man irgendwo unterschreiben sollte. Hoff klang unnatürlich; hieß jemand Hoff, würde er seinen Sohn nicht Nicholas nennen, außer er wollte ihn zum Gespött seiner Schulkameraden machen.
Sundance verlangte keine Unterschrift, und das machte mir Sorgen. Ich war sauer, wenn ich mit überflüssigem Papierkram belästigt wurde, aber erst recht sauer, wenn aus ungeklärten Gründen darauf verzichtet wurde.
»Was ist mit meiner DA?«, fragte ich. »Kann ich sie anrufen?«
Sundance machte sich nicht die Mühe, sich nach mir umzusehen, während wir im Verkehrsfluss mitschwommen. »Schon passiert.« Er griff in eine Tasche seiner Jeans und holte einen Fetzen Papier heraus. »Der neue Minikreisel ist endlich fertig, aber nun warten alle auf die Entscheidung wegen der Umgehungsstraße. Die soll irgendwann nächsten Monat fallen.«
Ich nickte; das war eine Aktualisierung lokaler Nachrichten aus dem Umfeld meiner Deckadresse. James und Rosemary liebten mich wie einen Sohn, seit ich vor Jahren einmal längere Zeit bei ihnen gewohnt hatte — so lautete jedenfalls meine Legende. Ich hatte bei ihnen sogar noch ein Zimmer und ein paar Sachen im Kleiderschrank.
Diese beiden waren die Leute, die meine Legende notfalls bestätigten und selbst in ihr auftreten würden. Sie würden niemals zu meinen Gunsten aktiv werden, aber meine Aussage jederzeit bestätigen. »Dort wohne ich«, konnte ich jedem erklären, der mich verhörte. »Rufen Sie sie an, fragen Sie sie selbst.«
Ich besuchte James und Rosemary bei jeder sich bietenden Gelegenheit, damit
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