Nick Stone - 04 - Eingekreist
einziger K war, der dämlich genug war, um zu versuchen, diesen Auftrag auszuführen.
Als wir London auf der A40 verließen, um nach Brize Norton zu fahren, versuchte ich, mich auf meinen Auftrag zu konzentrieren. Ich musste meinen Kopf mit dem Job statt mit Jammer füllen. Zumindest war das die Theorie. Aber das war einfacher gesagt als getan. Ich war abgebrannt. Ich hatte die Ducati, das Haus in Norfolk, die Möbel und alles andere, was nicht in eine Sporttasche passte, verkauft, um Kellys Behandlung zu bezahlen. Privatpflege im grünen Hampstead und regelmäßige Sitzungen in The Moorings hatten mich den letzten Penny gekostet.
Als ich das Haus in Norfolk endgültig verlassen hatte, war mir ähnlich beklommen zu Mute gewesen wie an dem Tag, an dem ich als Sechzehnjähriger unseren Wohnblock verlassen hatte, um zur Army zu gehen. Damals hatte ich keine Sporttasche, sondern nur eine Tüte mit einem Paar löchriger Socken, einem noch verpackten Stück Wright’s Teerseife und einer sehr alten Zahnbürste in einem Coop-Plastiketui gehabt. Zahncreme wollte ich mir nach dem ersten Zahltag kaufen, ohne recht zu wissen, wann er sein und wie viel ich ausbezahlt bekommen würde. Das war mir ziemlich egal gewesen, denn so schlimm die Army auch sein mochte, sie würde mich vor einem Leben in Erziehungsheimen bewahren und von einem Stiefvater befreien, der von Ohrfeigen zu Faustschlägen übergegangen war.
Seit im März Kellys Therapie angefangen hatte, hatte ich nicht mehr arbeiten können. Und da ich keine Sozialversicherungsnummer, keinen
Beschäftigungsnachweis hatte — absolut nichts, was meine Existenz nach dem Ausscheiden aus dem Regiment hätte beweisen können —, konnte ich nicht einmal Sozialhilfe beantragen. Die Firma dachte nicht daran, mir zu helfen; schließlich arbeitete ich nicht offiziell für sie. Und in Vauxhall Cross interessiert es niemanden, wenn man nicht arbeiten kann oder keine Aufträge von der Firma erhält.
In den ersten Wochen von Kellys Therapie war ich in London bei verschiedenen Adressen mit Bed & Breakfast untergekommen — und hatte mit Glück ohne zu zahlen durchbrennen können, wenn die Wirtin dumm genug war, keine Vorauszahlung zu verlangen. Dann hatte ich mit Nick Somerhursts Sozialversicherungsnummer, die ich im Good Mixer gekauft hatte, Aufnahme im Wohnheim gefunden und mich zu den Essenszeiten an dem Hare-Krishna-Wagen angestellt, der immer vor der
Mecca-Bingohalle stand. Außerdem hatte ich mir einen auf den Namen Somerhurst lautenden Reisepass und weitere Papiere besorgt. Ich wollte nicht, dass der Jasager über meine Bewegungen auf dem Laufenden war, weil ich mit Papieren der Firma reiste.
Ich musste unwillkürlich lächeln, als ich mich an einen aus der Krishna-Gang erinnerte: Peter, ein junger Kerl, der immer freundlich lächelte. Er hatte sich den Kopf rasiert und so blasse Haut, dass er hätte tot sein müssen, aber ich merkte bald, dass er quicklebendig war. In seiner orangeroten Robe, zu der er eine handgestrickte blaue Wolljacke und eine bunte Wollmütze trug, lief er in dem rostigen MercedesKastenwagen herum, schenkte Tee ein, gab köstliche Currys mit Brot aus und begleitete alles mit Krishna- Rap. »Yo, Nick! Krishnaaa, Krishnaaaa, Krishnaaaa. Yo! Hare ramaaaa.« Ich hatte nie Lust, in seinen Sprechgesang einzufallen, aber einige der anderen — vor allem die Betrunkenen — taten es. Während er in dem Wagen herumtanzte, verschüttete er Tee und ließ manchmal eine Scheibe Brot von einem Pappteller fallen, aber seine milden Gaben wurden von allen dankend genossen.
Ich starrte weiter aus dem Fenster, war in meiner kleinen rostigen Welt wie in einem Kokon gefangen, während die andere draußen an mir vorbeizog.
Als die A40 zu einer richtigen Autobahn wurde, beschloss Sundance, nun sei es Zeit für ein Spielchen.
»Weißt du was?« Er sah zu Laufschuhe hinüber, sprach aber so laut, dass auch ich ihn hören musste.
Laufschuhe wechselte auf die Überholspur, während er Sundance seinen Tabak hinüberreichte. »Was denn?«
»Ich hätte nichts gegen eine kleine Reise nach Maryland . Wir könnten erst in Washington Station machen und uns die Stadt ansehen .«
Ich wusste, was sie mir anzutun versuchten, und starrte weiter die Böschung neben der A40 an.
Laufschuhe heuchelte Begeisterung. »Mann, das wäre echt klasse!«
Sundance leckte das Zigarettenpapier ab, bevor er weitersprach. »Ja, das wär’s. Wie ich höre, ist Laurel .« Er drehte sich zu mir um.
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