Nick Stone - 05 - Tödlicher Einsatz
Holzboden
passten. Die alten Männer hier drinnen pafften ein halbes Dutzend Gauloises, deren Rauchschwaden die
Atmosphäre weiter verdüsterten. Ich suchte mir einen Platz in Fensternähe, damit ich Fettkloß weiter im Auge behalten konnte, und bestellte mir einen Kaffee.
Fettkloß hatte sich eine neue Zigarette angezündet. Die Packung mit dem Feuerzeug darauf lag neben seiner Handtasche und der Illustrierten auf dem Tisch. Er bestellte noch irgendetwas, und als die Bedienung sich abwandte und ins Café zurückging, wickelte ich eine Papierserviette um meine Espressotasse, bevor ich einen Probeschluck nahm. Fettkloß war erkennbar nervös: Er sah zum fünften Mal in ebenso vielen Minuten auf seine Armbanduhr. Inzwischen war es 11.27 Uhr, und er suchte nochmals das Innere des Cafés nach jemandem ab, der dort drinnen allein saß, bevor er sich wieder abwandte und sich davon überzeugte, dass die Illustrierte gut sichtbar auf seinem Tisch lag.
Ich kippte den Inhalt des Kleingeldfachs meiner
Geldbörse auf den Tisch und ließ elf Francs liegen, die der alte Kerl, der diesen Laden führte, mit einem Grunzen einstrich.
Fettkloß sah nochmals auf seine Uhr, dann beugte er sich zu der Bedienung hinüber, die den Nebentisch abwischte, und fragte sie nach der Uhrzeit. Ihre Antwort schien zu bestätigen, was er befürchtete, denn er stand auf und sah nach beiden Richtungen den Boulevard
entlang, als suche er etwas Bestimmtes. Es war 11.34
Uhr, bevor er schließlich sein Zeug zusammenpackte und den Hügel hinauf davonging.
Ich griff zum letzten Mal nach meiner Tasse, wischte den Oberrand ab und steckte die Papierserviette ein, bevor ich ihm auf meiner Straßenseite folgte, wobei er immer wieder sekundenlang durch Lieferwagen und
Busse verdeckt wurde. Für den Fall, dass er in ein Auto stieg, musste ich einen kleinen Vorsprung haben, damit ich die Straße überqueren und ihn anhalten konnte, bevor er wegfuhr. Irgendwann würde ich ihn ansprechen
müssen, aber das hatte noch etwas Zeit. Als Erstes musste ich mich vergewissern, dass niemand ihm folgte –
oder mir.
Ich konnte nichts Verdächtiges erkennen: niemanden, der Selbstgespräche zu führen schien, während er
Fettkloß auf den Fersen blieb; niemanden, der hastig in oder aus Autos sprang, um hinter ihn zu gelangen, oder sich so sehr darauf konzentrierte, ihn nicht aus den Augen zu verlieren, dass er in Hundescheiße ausrutschte oder gegen Leute oder Laternenmasten rannte.
Ich schlängelte mich mit Todesverachtung durch den Verkehr auf dem Boulevard und konzentrierte mich dann auf seine braunen Wildlederslipper, die im Farbton genau zu seiner Schwulentasche passten. Fettkloß hatte nackte, behaarte Fußknöchel und trug keine Socken: typisch Südfrankreich. Er trug Julia in der linken und sein Täschchen in der rechten Hand.
Da er mich bestimmt wiedererkennen würde, wollte
ich ihm keine Gelegenheit geben, sich umzusehen und Blickkontakt herzustellen. Und wegen der Umstände unserer letzten Begegnung vermutete ich, dass das Wiedererkennen ihn ein bisschen nervös machen würde.
Ich sah ständig nach links in Geschäfte und
Hauseingänge hinein, um verschwinden zu können, falls er plötzlich stehen blieb. Das ist oft nicht ganz leicht, denn sobald die Zielperson sich umsieht, muss man mit dem Rücken zu ihr dastehen oder – noch besser – bereits verschwunden sein. Und man kann es sich nicht leisten, dabei irgendwie aufzufallen.
Er bog nach links vom Boulevard Carnot ab und kam außer Sicht. Ich ging schneller, um die Ecke zu erreichen, führte den Cannes Shuffle auf und überquerte die
Querstraße. Ich dachte nicht daran, mich in eine
unbekannte Straße zu wagen, ohne gesehen zu haben, was mich dort erwartete.
Als ich nach links und rechts blickte, bevor ich die Straße überquerte, kam die Zielperson wieder in Sicht.
Fettkloß war weiter auf der linken Straßenseite und schien nicht zu kontrollieren, ob er beschattet wurde. Er bewegte sich zielbewusst; er lief nicht vor etwas weg, sondern hatte ein festes Ziel vor Augen.
Auf dem Gehsteig wandte ich mich nach links und
hielt mit ihm Schritt. Fettkloß hatte jetzt einen etwas größeren Vorsprung, aber das war in Ordnung, denn diese Straße war viel schmaler – eine ganz gewöhnliche Wohnstraße mit Häusern und Apartmentgebäuden. Hier waren nicht viele Leute unterwegs, deshalb war etwas mehr Abstand nur nützlich.
Während ich nach vorn sah und den Roten am Rand
meines Gesichtsfelds
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