Nick Stone - 05 - Tödlicher Einsatz
nicht ganz. Fettkloß betrat die Wohnung, während ich mit der rechten Hand am Pistolengriff auf der Schwelle zurückblieb. Er drehte sich nach mir um, und seine Handbewegung umfasste den gesamten Raum.
»Sehen Sie, hier ist alles okay.«
Das glaubte nur er. Draußen auf den Boulevards
mochte er Mr. Gucci sein, aber seine Wohnung verriet, was er in Wirklichkeit war. Links von mir führte eine Tür in die Küche. Sie war mit verblichenen weißblauen Furniermöbeln aus den siebziger Jahren eingerichtet, die an manchen Stellen so abgewetzt waren, dass die
Spanplatten sichtbar waren. Neben einem überquellenden Aschenbecher lag ein angeschnittenes halbes Baguette.
Im Ausguss bildete schmutziges Geschirr einen hohen Stapel.
Ich schloss die Tür mit dem Absatz hinter mir, betrat das kleine Wohnzimmer und nickte ihm zu. »Absperren.«
Ich trat zur Seite, während er schwer atmend
gehorchte.
Rechts befand sich eine weitere Tür. »Wohin führt die?«
»Schlafzimmer und Bad.« In seinem Eifer, mir gefällig zu sein, wollte er darauf zustürzen. »Ich mache nur ein bisschen –«
»Halt, wir bleiben beisammen. Ich will alles sehen, was Sie machen. Kapiert?«
Ich blieb wenige Schritte hinter ihm, als seine Slipper über den grauen PVC-Boden quietschten. Die beiden anderen Räume befanden sich in ähnlichem Zustand. Das Schlafzimmer bot eben Platz genug für ein großes
französisches Bett, und der restliche Fußboden war mit Zeitungen, mehreren Tennisshorts der Marke Slazenger, die noch in der Tragetasche des Sportgeschäfts Decathlon steckten, und schmutziger Unterwäsche zugemüllt.
Fettkloß sah eigentlich nicht wie ein Typ aus, der Tennis spielt, aber die beiden gebrauchten Spritzen, die auf der Tragetasche lagen, waren sehr wohl sein Stil, deshalb versuchte er, sie mit einem Tritt unters Bett zu befördern, bevor ich sie sah. Er trug offenbar energisch dazu bei, die Gewinne von al-Qaida aus dem Heroingeschäft zu
vermehren.
Ein zweitüriger Kleiderschrank quoll von Kleidung in lebhaften Farben und Schuhen über, die alle neu zu sein schienen. Das Schlafzimmer stank nach Rasierwasser und Zigaretten – aber nicht so schlimm wie das winzige Bad. Seine Einrichtung bestand aus einem verblassten gelben Waschbecken, einem WC und einer typisch
französischen Sitzbadewanne mit Handbrause. Sämtliche Abstellflächen waren voller Flaschen mit Shampoo, Duftwässerchen und Haarfärbemittel. Mit den Haaren, die den Wannenablauf verstopften, hätte man eine
Rosshaarmatratze füllen können.
»Sie sehen, dass ich nicht gelogen habe. Wir sind hier sicher.«
Als wir ins Wohnzimmer zurückgingen, machte ich
mir nicht einmal die Mühe, Fettkloß zu beobachten, um zu sehen, ob ihm sein Schweinestall wenigstens peinlich war. Ich schlängelte mich zwischen den Möbeln hindurch und trat an die Glasschiebetür, die auf den Balkon mit Blick auf die Straße hinausführte, die wir eben
heraufgekommen waren. Am Balkongeländer lehnten
zwei Tennisschläger unter nachlässig über die Brüstung gehängten zerknautschen Badetüchern.
Fettkloß hockte jetzt nervös auf einer grünen Couch, die wahrscheinlich aus dem gleichen Jahr wie die Küche stammte. Sie stand der linken Wohnzimmerwand
gegenüber, an der ein mit Kunststoff beschichteter schmutziger Hängeschrank von einem riesigen Fernseher mit Videorecorder beherrscht wurde. Alle Geräte waren so staubig, dass ich seine Fingerspuren um die
Bedienungsknöpfe herum sehen konnte. In den
Regalfächern lagen VHS-Kassetten und aller mögliche sonstige Scheiß. Ein kleiner CD-Spieler vom Typ
Boombox stand von einem Meer aus CDs umgeben, die nicht in ihren Hüllen steckten, in dem Regalfach über dem Fernseher. Die Videokassetten waren unbeschriftet, aber ich konnte mir denken, was Fettkloß sich am
liebsten ansah.
Der rechteckige Couchtisch aus gewachster Kiefer in der Mitte des Zimmers war mit weiteren alten Zeitungen bedeckt, zwischen denen eine halb leere Flasche Rotwein und ein Essteller standen, der als Aschenbecher
zweckentfremdet worden war. Ich fing allmählich an, mich in Gegenwart dieses Kerls fettig und schmuddelig zu fühlen.
Um nicht unnötig lange mit ihm zusammen sein zu
müssen, kam ich sofort zur Sache. »Wann läuft die Jacht ein?«
Er schlug die Beine übereinander, faltete die Hände vor den Knien und schien sich etwas zu entspannen, weil ich anscheinend nicht beabsichtigte, ihn einen Kopf kürzer zu machen. »Morgen Abend, in Beaulieu-sur-Mer, das
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