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Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen

Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen

Titel: Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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den
    Streckenplan über dem Kopf der Frau und stellte fest, dass dies ein Zug der Circle Line war. Ich spürte, dass ich leicht von einer Seite zur anderen schwankte, während die U-Bahn beschleunigte und dann wieder langsamer wurde. Ich spielte mit dem Handy, als wollte ich eine Nummer wählen, hob das Mikrofon an die Lippen und lächelte, als sei eine Verbindung zustande gekommen.
    »Hi, wie geht’s dir?«
    Ich konnte sie kaum verstehen, weil der Zug über
    Weichen ratterte, daher hielt ich das Nokia ans Ohr und zog den Ohrhörer der Freisprecheinrichtung heraus.
    »Mir geht’s gut. Kommst du heute mit ihm
    zusammen?«
    Meine Lippen berührten fast das Mikrofon. »Ja, ich sehe zwei. Wir werden uns bald verlieren.«
    Sie kicherte, als habe sie etwas Lustiges gehört. »Das denke ich auch. Klingt wunderbar, finde ich.« Ich vermutete, dass neben ihr jemand saß. Vielleicht sogar Grausträhne. Sie verstummte, und ich kontrollierte die Signalstärke. Das Signal verschwand, als ein Tunnel unseren Zug verschluckte. Ich sah mich nach meinen Mitreisenden um. Sie befanden sich alle in ihren kleinen Welten, lasen Bücher oder Zeitschritten und vermieden jeglichen Blickkontakt mit den Gegenübersitzenden.
    Manche machten es wie Marineblau, saßen einfach nur da und ließen die Köpfe hängen. Links neben mir zupfte der Mann mit dem Aktenkoffer zwischen den Füßen
    zwanghaft winzige Fusseln von seiner Cordsamthose.
    Die Schwarze beugte sich nach vorn, wühlte raschelnd in einer ihrer Tragetaschen, zog ein Exemplar von Hello!
    heraus und begann, darin zu blättern. Ich stellte mir vor, wie der Cordsamtene sich im Berufsverkehr durchs
    Gedränge auf den Bahnsteigen schlängelte und seine tödliche Ladung aus Dark-Winter-Erregern durch ein kleines Loch im Boden freisetzte. Kein Mensch würde ihn eines zweiten Blickes würdigen, während er im Untergrund unterwegs war. Er konnte so weit gehen, wie er wollte, bevor er eine neue Ladung holen musste, um weitermachen zu können.
    Wie Tausende von anderen hätte die Frau die Erreger nicht gesehen, gehört oder gerochen, während sie um sie herum in der Luft schwebten und darauf warteten,
    eingeatmet zu werden. Sie wäre heute Abend
    heimgefahren und hätte in ein paar Tagen geglaubt, eine Grippe zu haben. Bis dahin hätte sie ihren Mann
    angesteckt, der die Infektion auf dem Weg zur Arbeit und dann am Arbeitsplatz weitergegeben hätte. Die Kinder wären zur Schule oder ins College gegangen und hätten genau das Gleiche getan. Man brauchte nicht Kellys Mathelehrer zu sein, um sich ausrechnen zu können, wie rasch Dark Winter sich zu einer von Simon so
    bezeichneten biblischen Plage auswachsen würde.
    Die Deckenlautsprecher knackten, dann kündigte eine Frauenstimme aus Suzys Ecke von Südostengland die nächste Station als King’s Cross an. Diesmal flitzten die Lichter der Bahnsteigbeleuchtung auf der anderen
    Wagenseite vorbei, und die anfangs verschwommenen Bilder stellten sich allmählich als griechische
    Fremdenverkehrsplakate heraus. Der Zug hielt mit sanft kreischenden Bremsen, und die Türen öffneten sich schwerfällig ratternd.
    Marineblau stand auf. Ich sah durch die
    Verbindungstür. Auch der Informant war aufgestanden und hatte seinen Mantel angezogen. Ich blieb vorläufig noch sitzen, weil ich nicht wusste, in welcher Richtung der Ausgang lag. Würde unser Mann sich nach links oder rechts wenden? Stieg ich zu früh aus, riskierte ich, draußen mit ihm zusammenzuprallen. Wartete ich zu lange, würden die Türen sich schließen.
    Die meisten Leute, die aus meinem Wagen ausstiegen, wandten sich nach rechts, und Marineblau folgte ihnen.
    Tat der Informant das ebenfalls, würde Suzy die
    Verfolgung aufnehmen.
    Ich wartete noch einige Sekunden, bevor ich mich den Aussteigenden anschloss. Vor mir war niemand zu
    erkennen, nicht einmal Suzy, als die Menge sich zum Ausgang drängte. Vorläufig waren wir alle in die gleiche Richtung unterwegs, aber ich achtete auch auf andere Ausgänge: King’s Cross war nicht nur ein wichtiger U-Bahn-Knotenpunkt, sondern hier gab es an der
    Oberfläche auch zwei Bahnhöfe, auf denen Fern- und Nahverkehrszüge hielten.
    Mein Handy funktionierte noch immer nicht wieder, als ich mich durch eine Gruppe aufgeregt schwatzender ausländischer Jugendlicher drängte und mich dem Strom der zu ihren Zügen hastenden Berufstätigen anschloss.
    Ich entdeckte Marineblau auf halber Höhe einer
    Rolltreppe: stehend, nichts ahnend. Wie alle anderen betrachtete

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