Nick Stone 06 - Feind ohne Namen
die Straße aus den Augen zu lassen. »Trotzdem sind sie unentbehrlich, nicht wahr? Und wir brauchen sie schließlich nicht zu uns zum Abendessen einzuladen, stimmt’s?« Sie sah auf ihre Uhr und ich auf meine. »Noch zwanzig Minuten. Du solltest lieber abhauen, sonst bekommst du am Ende keinen Drink mehr.«
Sie wandte sich mir zu und lächelte, während sie den Ohrhörer ihrer Freisprecheinrichtung einsteckte. Ich drückte die Kurzwahltaste des Nokia, betätigte zweimal die Schlüsseltaste und hielt mein Handy ans Ohr. Suzy meldete sich sofort nach dem ersten Klingeln. »Die Verbindung steht.«
Ich vergewisserte mich, dass das beruhigende Piepsen im Hintergrund zu hören war. »Gut, dann bis später. Und mach fremden Männern keine unsittlichen Avancen.« Ich küsste sie flüchtig auf die Wange und ging davon.
Ich warf den Styroporbecher mit einem Rest Kaffee in einen Abfallkorb, überquerte die Straße, schlenderte in Richtung Castle weiter und steckte den Ohrhörer ein, als ich den Pub erreichte. Suzy, die zum Starbucks unterwegs war, überholte mich auf dem gegenüberliegenden Gehsteig.
Zigarettenrauch hing in blauen Schwaden unter der Decke des Pubs, der voller ausgelassener, lärmender Leute war, die sich nach einer harten Arbeitswoche entspannten. Die Krawatten der Männer waren gelockert; der Lippenstift der Frauen befand sich hauptsächlich an ihren Gläsern. Ich stellte mich an der Bar an, um ein Cola zu bekommen, und schlängelte mich dann durch die Menge zu einem der Fenster mit Blick auf die Kreuzung mit der Turnmill Street. Die Musik, das Lachen und das Stimmengewirr waren so laut, dass sie das Hintergrundgeräusch in meinem Ohrhörer übertönten, aber von hier aus war die Straße auf einer Seite bis zur U- Bahn-Station und auf der anderen bis zur Farringdon Road zu überblicken.
Ich hörte das Quietschen und Zischen von Espressomaschinen. »Hallo, hörst du mich?« Ich drückte den Ohrhörer tiefer hinein. »Kannst du mich hören?«
»Oh, hi, ja, ich bin im Starbucks.« Sie sprach so sanft, als telefoniere sie mit ihrem Freund. »Wenn du willst, warte ich hier.«
»Yeah, ich bleibe dran.«
Ich trank mit kleinen Schlucken meine Cola, beobachtete die draußen Vorbeigehenden und hielt Ausschau nach einem Mann, der einen blauen Anzug mit weißem Hemd trug und einen schwarzen Regenmantel über dem linken Arm hatte. Auf meiner Straßenseite kam ein Mann aus Richtung Starbucks heran. Er war Anfang dreißig, auffällig dunkelbraun, ein Inder, vielleicht ein Sri-Lanker. Sein links gescheiteltes schwarzes Haar, das hinten und seitlich sehr kurz war, wies über der Schläfe eine breite graue Strähne auf. Zu Jeans trug er eine Bomberjacke aus braunem Wildleder und einen schwarzen Pullover - überhaupt nicht die Klamotten, nach denen ich Ausschau hielt, aber ich wurde trotzdem auf ihn aufmerksam. Er suchte die Straße vor sich ab und drehte sich sogar noch mal um, bevor er den Übergang an der Turnmill Street benutzte. Auf der anderen Straßenseite ging er in Richtung U-Bahn-Station weiter und verschwand darin.
Danach dauerte es nicht lange, bis jemand herauskam, der unser Mann sein konnte. Er schien Südostasiat zu sein, trug einen blauen Anzug mit weißem Hemd und hatte einen schwarzen Regenmantel, den er jedoch angezogen trug. Er blieb am Kiosk stehen und kaufte sich eine Zeitung.
Ich hob das Mikrofon der Freisprecheinrichtung an die Lippen. »Hey, rate mal, was ich sehe - eben ist jemand aufgetaucht, der unser Mann sein könnte, und er hat vielleicht einen Freund mitgebracht.«
Ich beobachtete, wie er in die U-Bahn-Station zurückging. »Jetzt ist er wieder fort.«
»Okay, wunderbar.« Ich stellte mir Suzy vor, die im Starbucks vor einem großen schaumigen Cappuccino saß, ihr eigenes Mikrofon hochhielt und idiotisch lächelte, während wir Süßholz raspelten. Sie ließ eine Pause von einigen Sekunden folgen. »Ja, ich verstehe. Das ist gut. Lass bald wieder von dir hören, okay?«
Der Mann tauchte erneut auf. »Jetzt geht’s los. Er trägt seinen Mantel über dem linken Arm und hat eine zusammengefaltete Zeitung in der rechten Hand. Vielleicht sind wir beim Kaffee doch nur zu dritt. Sein Freund ist nirgends mehr zu sehen.«
Er kam mir irgendwie bekannt vor. Ich ließ ihn an meinem Pubfenster vorbeigehen. »Okay, er hat den Standard.« Ich sah mir sein Gesicht an und spürte, wie mein Herz zu jagen begann. »Er ist der gottverdammte Taxifahrer aus unserem Urlaub.« Ich bemühte mich,
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