Nickel: Roman (German Edition)
war es unsere beste Chance. Die Zündschnur zischte und zuckte im Licht des Mondes und der Vorstadt. Ich wartete und hoffte, dass ich recht hatte.
Kapitel 24
Die Explosion war ohrenbetäubend. Eben noch war das hier die Vorstadt in einer stillen Nacht unter der Woche gewesen, im nächsten Augenblick war es Kriegsgebiet. Der Mast flog wie ein Turnierpferd beim Sprung in die Höhe. Wie erstarrt hing er in der Luft, während die Energie der Explosion durch ihn hindurchschoss. Ich sah, wie das Seil sich spannte, und rechnete damit, dass es reißen würde, doch dann fiel der Mast zu Boden.
Die Geräuschkulisse bildeten Hundegebell und Alarmanlagen, die modernen Wachhunde in Autos und Häusern. Mit einem schuldbewussten Lächeln auf den Lippen fragte ich mich, wie viele Fensterscheiben zu Bruch gegangen sein mochten. Ich wich so weit wie möglich zurück, bis an den Rand des Waldes, in dem Shelby verschwunden war. Setzte die Nachtsichtbrille wieder auf und schaltete sie ein. Dann wartete ich.
Es dauerte nicht lange.
Kapitel 25
Zuerst nur lautes Fluchen von Erwachsenen. Hatte garantiert mit der Zerstörung einer beträchtlichen Menge versicherten Glases zu tun. Im Ernst, wenn mir jemand leidtat, dann ihr Versicherungsmakler. Wie man sich so über einen Schaden aufregen kann, der einem kostenlos ersetzt wird, geht über meinen Horizont. Ganz zu schweigen davon, dass das hier nicht gerade ein Elendsviertel war – diese Leute hatten Geld. Sicher, es war lästig für sie, dass meine kleine Aktion sie geweckt hatte, aber jetzt mal im Ernst: Kommt auf den Teppich; es war doch nur eine Rohrbombe.
In den Gärten fanden sich kleine Grüppchen zusammen, einzelne Armeen, getrennt durch die am Boden liegenden und Funken sprühenden Stromleitungen. Ich war gar nicht auf die Idee gekommen, dass es Stromleitungen sein könnten. War doch naheliegend, dass es Telefonleitungen waren – die Dinger hießen schließlich Telefonmasten. Warum hängte man da Strom dran? Jedenfalls kam als Nächstes die Polizei, jede Menge Polizei, um die Vorstadt gegen den wahnsinnigen Bombenleger zu verteidigen. Wenn die sich bloß von Anfangan so ins Zeug gelegt hätten, dann würde vielleicht nicht der falsche Mann im Gefängnis sitzen und Shelby immer noch vermisst werden. Aber was weiß ich schon, ich bin ja nur ein Kind.
Feuerwehr- und Krankenwagen und schließlich jemand von der Elektrizitätsgesellschaft. Der stämmige Mann drängte sich durch die Polizeiabsperrung und nickte zwei Uniformierten zu. Man sah, dass das nicht sein erster Auftritt war. Ich zoomte ihn mit der Nachtsichtbrille heran. Sein Gesicht war nicht gut zu erkennen, aber ich speicherte ab, was ich sah. Wenn ich auf ein Foto stieß, würde ich ihn wiedererkennen. Zugegeben, ich hatte so meine Zweifel, dass der erste Kerl, der am Tatort auftauchte, auch gleich meine Jagdbeute sein würde.
Als Nächstes fuhren zwei weitere Wagen der Elektrizitätsges ellschaft vor, und darin saßen noch drei Gesichter, die ich wiedererkennen würde. Ich hielt es immer noch für am wahrscheinlichsten, dass der Täter ein einfacher Arbeiter war, der vielleicht in den kommenden Tagen herauskommen würde, um zu reparieren, was ich demoliert hatte. Trotzdem war diese Datenbank aus vier Gesichtern ein guter Anfang. Sogar ich gab allerdings zu, dass die Jungs, die die Stromleitungen warten, normalerweise nicht die sind, die man bei Katastrophenfällen ruft. Ich hielt weiter Ausschau nach Wagen einer Telefongesellschaft, aber es kam keiner. Ehrlich gesagt war mir das ein bisschen peinlich.
Mein Pager summte, doch ich ignorierte das; hier war zu viel los, um mir Gedanken über entgangene Anrufe zu machen. Gleich darauf fuhr ein weiterer Lastwagen vor. Telefongesellschaft. Na toll. Jetzt hatte ich zwei Haufen, die ich durchforsten musste.
Wieder summte mein Pager. Ich ignorierte das blöde Ding; irgendjemand musste da lernen, Geduld zu haben. Die Cops wimmelten überall herum, lachten und witzelten. Ich beobachtete einfach. Allmählich langweilte ich mich, doch wer wusste, was womöglich noch passieren würde?
Die Typen von der Telefongesellschaft stiegen aus, aber ich konnte nur einen sehen. Ich versuchte mit allen Mitteln, den anderen ins Visier zu bekommen, um ein weiteres Exemplar für meine Sammlung zu haben, aber der Pager summte schon wieder. Ich nahm ihn vom Gürtel und hielt ihn hoch, um das Display erkennen zu können. Die beleuchteten Ziffern loderten wie Flammen.
911-59 911-59. Die zweite
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