Nickel: Roman (German Edition)
Abend einen Anruf von mir ankündigte. Ich wollte ein paar Geldwäscheideen mit ihm durchgehen. Bloß weil ich sein Mann für das Pot war, bedeutete das nicht, dass er nicht womöglich eine gute Idee hatte, wie man ein bisschen Geld loswurde. Gary war loyal, aber das hieß nicht, dass er keine anderen Kontakte hatte. Ich sah auf die Uhr, hängte mir den Rucksack um und fuhr wieder nach Four Oaks, um ein paar Fotos zu machen.
Kapitel 29
Ich fuhr zu Arrow und stellte das Fahrrad an einem Strommast ab. Anscheinend gab es immer noch keinen Strom. Ooops. Rasch ging ich durch den Garten neben dem Haus in den Wald. Wenn ich es durch den Wald zu ihrem Haus geschafft hatte, während Menschen und Hunde mich jagten, dann konnte ich bei Tageslicht auch durch den Wald zurück zum gesprengten Mast finden.
Ich hörte die Arbeitsgeräusche, lange bevor ich etwas sah, und nahm das zum Anlass, meine Tarnung von »gebeutelter Tween« zu »Busch« zu ändern. Ich zog die Jeans aus – fest davon überzeugt, dass Arrow hinter einem der Bäume hervorspringen würde, während ich halb nackt war – und den aufgepeppten Tarnanzug an. Dann setzte ich Mütze und Maske auf. In diesem Outfit kam ich mir kaum noch wie ein Mensch vor. Es war das erste Mal, dass ich das Ding nicht nur zu Übungszwecken trug, und ich fühlte mich darin wie ein großer Käfer. Als das Licht in Hüfthöhe durch die Bäume fiel, ließ ich mich auf Knie und Ellbogen nieder und kroch den Rest des Weges. Rund drei Meter vom Waldrand entfernt hielt ich an,fand eine Schneise, durch die ich fotografieren konnte, suchte den Boden nach Ameisen und anderen Insekten ab und legte mich hin.
Da waren vier Männer von der Elektrizitätsgesellschaft, zwei von der Telefongesellschaft und zwei ausgesprochen gelangweilt wirkende Cops. Hunde oder andere Spezialeinheiten sah ich nirgends; vermutlich würde ich die erst dann entdecken, wenn es viel zu spät war. Ich zog den Rucksack zu mir heran und nahm Kamera und Objektiv heraus. Ich setzte die Kamera zusammen, behielt dabei aber immer im Auge, was vor mir passierte. Als Nächstes nahm ich das Stativ und setzte alles unter meinem Bauch zusammen. Ich atmete tief durch und zog die Kamera unter mir hervor. Ich richtete sie aus, justierte das Objektiv und sah hindurch. Ich erkannte jeden Pickel – 400 mm war ein viel zu großes Kaliber, sogar deutlich zu groß. Ich ging runter auf 350. Auf 300. Perfekt.
Er drehte sich um, ehe ich abdrücken konnte. Dunkle Haare, oben schon ziemlich dünn, gefärbt. Selbst gemacht. Die Stellen, die er übersehen hatte, waren grau. Er war von durchschnittlicher Statur, bekam wohl öfter Sonne ab. Er drehte sich wieder zu mir. Ich drückte ab. Kopfschuss. Einer erledigt.
Sie hatten den Stumpf schon aus dem Boden geholt und waren jetzt dabei, den neuen Mast aufzustellen. Die Kabel lagen wie schwarze Schlangen aufgerollt auf dem Rasen, und das ganze Gebiet war von Polizeiabsperrband und Schildern umgeben, auf denen »Lebensgefahr! Hochspannung!« und Ähnliches stand. Sie hatten für die Arbeiten sogar die Straße sperren müssen. Ich sah eine Gruppe von fünf älteren Männern, die von der anderen Straßenseite aus zusahen und garantiert darübersprachen, dass sie alles anders machen würden. Ich nahm sie alle ins Visier, ließ die Kamera ihre Gesichter finden. Dann wandte ich mich wieder den Arbeitern zu.
Ich visierte einen Dicken mit einer Wampe, die über den Gürtel quoll, einem gelben Helm und Sonnenbrille an. Ich beobachtete ihn lange, nur sein Gesicht. Er nahm Helm und Sonnenbrille ab. Wischte sich das Gesicht trocken. Als er den Arm senkte, drückte ich ab. Erwischte ihn, als er gerade die geröteten Backen aufblies. Zwei erledigt.
Ich sah auf die Uhr: Ich war schon eine ganze Weile hier, aber bisher waren mir offenbar keine Glieder eingeschlafen. Einer der Männer kletterte am neuen Mast hoch; er trug Stiefel mit Spikes. Auch er hatte ein gerötetes Gesicht, aber er war nicht dick. Ich sah ihm an, dass er nicht viel draußen arbeitete. Egal. Peng.
Ich schoss Fotos von zwei weiteren, dann machten sie Mittagspause. Ich kroch den Weg zurück, den ich gekommen war. Verschmolz noch gründlicher mit dem Wald, wurde zu einem Gespenst. Packte die Kamera ein, ohne sie auseinanderzunehmen. Schlich mich zurück zu Arrows Haus, blieb aber im Wald, legte mich auf den Boden und den Rucksack neben mich. Ich schloss die Augen, stellte meine innere Uhr auf zwei Stunden ein und war weg. Um drei Uhr nachmittags
Weitere Kostenlose Bücher