Nickel: Roman (German Edition)
und dann will ich mit einem Vorgesetztensprechen oder mit jemandem bei Ihnen, der mir sagen kann, warum hier überall gegraben werden muss, obwohl wir Überlandleitungen haben.«
»Ich bin nicht befugt, Mitarbeiterdaten herauszugeben.«
»Ich will keine Weihnachtskarten verschicken; ich will eine Liste mit allen, die auf meinem Grundstück sind.«
»Sir, ich kann Ihnen leider nicht genau sagen, wer bei Ihnen im Garten arbeitet. Aber wenn Sie möchten, kann ich Ihnen per E-Mail eine Liste des Wartungspersonals schicken, das für Ihre Gegend zuständig ist, und dann können Sie mit jemandem im Lokalbüro nachsehen, um welche Mitarbeiter es sich handelt.«
Na bitte. »Das sollte gehen.«
Ich ratterte meine E-Mail-Adresse herunter, ließ mir von ihr die Telefonnummer des Lokalbüros geben und legte auf. Ich öffnete mein Mailprogramm, aber es war noch nichts eingegangen. Fünf Minuten später hatte ich Post.
Es gab nur einen Clyde. Ich suchte ihn im Online-Telefonbuch heraus. Treffer. Clyde Cunningham, 3415 Fern Boulevard. Der war leicht; ich kopierte die Daten in ein Word-Dokument und machte mich auf die Suche nach den anderen beiden. Es gab zwei Freds, aber nur einer war als Freddy verzeichnet. Ich kopierte auch seine Daten: Freddy Jefferson, 77 Duiker Road. Hank war ebenfalls leicht, ich machte es genauso wie bei den beiden Freds: Es gab zwei Henrys, einer war als Henry »Hank« Phillips verzeichnet, 92 Duiker Road. Als ich seine Daten kopierte, zitterten mir die Hände. Dieselbe Straße wie Freddy; das konnte unmöglich Zufall sein. Der Herd piepte, und ich fuhr derart zusammen, dass ich den Computerstuhl umwarf. Ich ließihn liegen und sah mir ihre Fotos an. Sie hatten kalte Augen. Der Anblick dieser Fotos trug nichts zu meiner Entspannung bei. Heute Abend musste ich handeln. Ich ging in die Küche, um zu essen und nachzudenken.
Während ich mich über das beste tiefgefrorene und wieder erhitzte Hähnchenformfleisch hermachte, das man für Geld kaufen konnte, überlegte ich mir, dass die beiden, wenn sie da drinsteckten, auch gemeinsam drinsteckten. Ich kannte ihre Masche nicht, aber ich stellte mir vor, dass einer der beiden ledig war, wenn nicht sogar beide. Falls es nur einer war, dann würde der Unverheiratete das Haus haben, in dem sie operierten. Ich musste zur Duiker Road und mich da umsehen. Ich ließ das Adrenalin, das meine Entdeckung freigesetzt hatte, alle Angst und Müdigkeit vertreiben und ging duschen.
Die Duiker Road war nicht weit entfernt, höchstens zehn Minuten, aber sie lag nicht gerade im feinsten Viertel. Entsprechend wählte ich meine Tarnung aus: zerrissene Jeans, Baseballkappe von den Detroit Tigers, Metallica-Shirt von einer der letzten Tourneen. An die Füße kamen Chuck Taylors.
Ich holte das Rad aus der Garage, bereit, ein bisschen Aufklärung zu betreiben. Es war wärmer als am Vortag, und es fühlte sich an, als würde die Sonne mir senkrecht auf den Kopf scheinen. In die Taschen hatte ich den Tränengasfüller, das Wegwerfhandy und eine kleine Autofokusdigitalkamera gesteckt. Ich war nicht für einen Krieg gewappnet, aber ich rechnete ja auch nicht mit einem. Ich wollte mich nur umsehen. Dann ging ich doch zurück ins Haus, holte die Startpistole und steckte sie in den Hosenbund, wo sie unter dem Sweatshirt verborgen war. Jetzt war ich bereit.
Kapitel 32
Ich musste keine Bahngleise überqueren und das Viertel lag auch bestimmt nicht am anderen Ende der Stadt, aber im Verlauf der Fahrt zur Duiker Road änderte sich etwas. Der Unterschied hatte mit Geld zu tun. Es fiel mir zuerst an den Gärten auf: Die Gartenpflege ging immer weiter den Bach hinunter. Hier und da gab es noch einen Garten, der hübsch zurechtgemacht war, wo gegen den Verfall angekämpft wurde, der sich trotzdem einschleichen würde, egal was die Leute taten.
Ab und an sah man in dieser Gegend ein Haus, das völlig aufgegeben worden war. Der Garten war mit Kinderspielzeug und Bierdosen übersät, der Rasen nicht gemäht. In der Einfahrt standen Autos, die mit Gebeten statt mit Benzin fuhren. Der amerikanische Traum von seiner dunkelsten Seite. Auch hier sah man immer wieder Kerzen in diesem Ozean der Finsternis – Leute, die ihr Möglichstes taten, um in ihrem Garten und auf ihrer Straße ein normales Leben aufrechtzuerhalten. Ich sah beinahe vor mir, wie diese Lichter erloschen, genau wie vor noch nicht allzu langer Zeit die Sonne über mir.
An alledem kam ich vorbei auf meiner Fahrt durch
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