Nickel: Roman (German Edition)
steckte das Handy in die Tasche. Holte das Vierkantholz und das Steak heraus, in das ich Ketamin gespritzt hatte. Die Kids nennen es Special K; Tierärzte nennen es Beruhigungsmittel für Pferde. Ich warf mir den Rucksackwieder über die Schulter, nahm das Holz in die eine und das Steak in die andere Hand. Dann kletterte ich über den Maschendrahtzaun und sah in beide Richtungen. Die Bäume in den Gärten verstellten mir die Sicht; man musste schon aktiv nach mir suchen, um mich zu sehen, und ich hatte so das Gefühl, dass es die Leute hier in der Gegend gewohnt waren, nicht in diesen Garten zu schauen. Ich atmete tief durch und zertrümmerte mit dem Holz das Fenster in der Hintertür. Als das Gebell losging, warf ich das Steak hinein. Ich setzte mich auf die Treppe und wartete. Das Gebell hörte auf. Ich griff durch die Fensteröffnung und drehte den Türknauf. Atmete noch einmal tief durch, wappnete mich und hielt das Holz wie einen Schild vor mich. Die Tür schwang auf und ich trat ein.
Kapitel 34
Sobald der Pitbull mich sah, vergaß er das Steak. Er musste gut ausgebildet sein. Wenn das mein Hund gewesen wäre, hätte ich ihm beigebracht, von Fremden kein Fressen anzunehmen. Ich ging mit zwei Faustregeln in den Kampf. Wenn ich gegen jemand Stärkeren kämpfte, musste ich immer dessen eigene Kraft gegen ihn einsetzen, ihm eine Falle stellen, das hatte Rhino mich gelehrt. Und er hatte mir beigebracht, Hebeltechniken einzusetzen – nur darum ging es beim Ju-Jutsu. Nutze seine Hebelkraft aus und unterwirf ihn. Der Hund wollte mir an die Kehle und ich schob ihm das Holz ins Maul. Große Hunde erwarten, dass man vor ihnen wegläuft, zurückweicht und nach einem Ausweg sucht. So töten sie einen. Ich trieb ihm den Balken ins Maul, versuchte einen Blick auf das Steak zu erhaschen, während ich Fido zu Boden warf. Zwei große Bissen fehlten. Ich hoffte, dass das genügte. Ich hielt den Hund mit dem Holz auf Abstand, bis er schließlich schwächer wurde und auf die Seite fiel. Es war eine Hündin und sie hatte Narben auf dem Rücken. Es hatte sicher einen großen, mutigen Mann gebraucht, um sie so hefig zu schlagen, dass dieNarben durchs Fell schienen. Ich beobachtete, wie sie auf den Fliesen einschlief, und als ich sicher war, dass sie außer Gefecht gesetzt war, machte ich mich an die Arbeit.
Das Haus war der totale Gegensatz zum Garten. Es musste ihn wahnsinnig machen, draußen alles so verkommen zu lassen. Das Hausinnere stank nach Geld und aggressivem Putzmittel. Ich ließ die Hündin und die Küche hinter mir und machte mich auf die Suche.
Typisches eingeschossiges Häuschen. Das vordere Zimmer war ebenso getarnt wie das Äußere: schäbiger Fernseher, hässlicher Teppich, ein paar Bierdosen auf dem Boden. Die Tür zur Küche war auf der Küchenseite weiß gestrichen und sehr sauber, auf der anderen Seite war sie schmierig.
Ich ging durchs Wohnzimmer. Die Rollläden waren heruntergelassen und an der Haustür befanden sich drei verschiedene Schlösser. Ich ging daran vorbei durch die andere schmierige Tür in ein Schlafzimmer mit angeschlossenem Bad, beides ebenso peinlich sauber wie die Küche. Ich sah in den Schrank: nur Kleidung. Bisher also Fehlanzeige. Das vordere Zimmer bewies, dass hier irgendetwas nicht stimmte, aber nicht was.
Ich ging wieder in die Küche zu der schlafenden Hündin. Riss alle Schränke auf, fand nichts als Staub, drei Gläser Erdnuss butter und ein paar Dosen Mais. Im Kühlschrank fand ich eine Packung Hotdogs, eine Dose Margarine, ein Glas Marmelade und eine seit zwei Wochen abgelaufene Milch. Auf der Arbeitstheke lagen zwei Laibe Brot, aber das war alles an Lebensmitteln. Ich warf einen Blick auf die Hündin – jetzt nur noch ein bewusstloses Hündchen. Es tat mir leid, dass ich sie betäubt hatte. Ich mag Hunde.
Gegenüber vom Kühlschrank stand ein Wandschrank. Ich öffnete ihn. Hier waren also die ganzen Lebensmittel. Es gab Kartons mit Makkaroni, Ramen-Nudeln, Dosen mit allem Möglichem, Ravioli, Okraschoten, Kartoffeln, Kartons über Kartons mit Frühstücksflocken. Tüten mit Fruchtgummi, Cracker, Chips und Puddingbecher. Stapelweise Nahrungsmittel, ein richtiger kleiner Lebensmittelladen – ich muss zugeben, bloß vom Ansehen bekam ich Hungerattacken.
Ich wollte die Tür schon wieder schließen, aber dann überlegte ich es mir anders und räumte das oberste Regal leer, warf einfach alles auf den Boden. Die ganzen Sachen waren noch originalverpackt, als hätte gerade erst
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