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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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doch verhandeln«, hörte sie sich noch stöhnen. »Wir können verhandeln!«
    Durch das Fenster sah sie, wie das Wesen innehielt. Die bleichen Hände schoben die Kapuze zurück. Deidre kniff die Augen zusammen, um das Gesicht zu erkennen.
    Doch um sie war nur noch Licht, und sie verlor das Bewusstsein – verlor sich in der Heftigkeit ihres Anfalls.

Kapitel 19
    Nicodemus und Shannon starrten auf die chthonischen Reliefe.
    Mittlerweile waren sie davon überzeugt, dass Nicodemus’ zweiter Alptraum eine Verbindung zum Mord auf der Spindle-Brücke herstellen sollte; jedoch wollte keinem von ihnen einfallen, worin genau diese Verbindung bestehen sollte. Der in ein weißes Gewand gehüllte Leib, der Smaragd, die Schildkröten, der Efeu – nichts schien zusammenzupassen.
    Die Steinbrücke hallte von ihren Schritten wider, als sie zurück zu den chthonischen Kunstwerken eilten, um die Felswand einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen. Shannon suchte die Bergwand mit verschiedenen Numinustexten nach versteckten Zaubern oder Geheimtüren ab.
    Doch auch diesmal stieß er nur auf massiven Fels.
    Inzwischen waren die Wächter wieder von unten heraufgestiefelt. Zu viert marschierten sie über die Brücke; das Klackern ihrer Absätze klang, als würde irgendwo entfernt zum Zapfenstreich geblasen. »Da kommen sie«, sagte Shannon. »Wir dürfen jetzt nicht mehr über deine Träume oder den Mörder reden. Sie gehören zu Amadis Gefolge und werden nach Beweisen für die Gegenprophezeiung suchen.«
    Nicodemus atmete tief durch. Wenn die Wächter einen seiner Schreibfehler als Anzeichen dafür nahmen, dass er der Unglücksbote sei, würden sie ihn gefesselt und zensiert in irgendein Verlies werfen. Und dort würde ihn der Mörder mit Leichtigkeit finden, hilflos wie ein Vögelchen im Käfig.
    »Wir werden vorgeben, nur an unserer Forschung interessiert zu sein«, raunte Shannon. »Tu es mir einfach gleich. Wir müssen mehr über dieses Wesen aus Ton erfahren. Wenn ich dir ein Zeichen gebe,lenkst du die Wächter und Smallwood so lange ab, dass ich den Index benutzen kann.«
    »Aber Magister, wie soll ich denn fünf Zauberer ablenken? Und was hat es mit diesem Index auf …«
    Shannon schnitt ihm das Wort ab, indem er nach den heranrückenden Wächtern rief. Der alte Mann ließ einen Wortschwall aus gespielter Wut und akademischer Leidenschaft auf die vier hernieder, in dem er sie der Trödelei bezichtigte, ihnen androhte, sie bei Amadi zu melden, und ohne Punkt und Komma von seiner Forschung sprach.
    Er scheuchte das Grüppchen wieder nach unten, zurück in die bewohnten Viertel Starhavens, und den ganzen Weg über hörte er nicht auf, über seinen Forschungszauber zu lamentieren und die Notwendigkeit, sich zu beeilen und Smallwood keinesfalls warten zu lassen.
    Und tatsächlich, als sie Shannons Studierzimmer erreichten, stand Magister Smallwood bereits mit einer Unmenge von Schriftrollen unterm Arm vor der Tür. »Agwu, wer sind denn all diese Leute?«, fragte Smallwood überrascht.
    »Timothy, ich habe ein paar zusätzliche Kräfte mitgebracht.« Shannon schloss auf. »Kommt, Magister, es gibt viel zu tragen.« Damit bugsierte er die Wächter in sein Studierzimmer und drückte ihnen stapelweise Bücher in die Hand. Einer wollte protestieren, doch als Shannon drohte, Amadi von ihrer mangelnden Kooperationsbereitschaft zu berichten, gab er klein bei.
    Innerhalb kurzer Zeit waren alle Wächter mit Büchertürmen beladen, die ihnen bis zur Nasenspitze reichten. Shannon drückte Nicodemus Unmengen von Schriftrollen in den Arm. Damit sie ihm nicht herunterfielen, musste Nicodemus sich den Stapel unters Kinn klemmen.
    In der Zwischenzeit hatte sich auch Smallwood seine Schriftstücke zusammengeklaubt und balancierte sie auf dem Arm, derweil gab er den Wächtern Ratschläge, wie sie ihre Stapel am besten zu halten hätten.
    »Nun, dann sind wir also soweit«, verkündete Shannon, der nun auch mit einem Haufen Schriftrollen beladen war. »Nicodemus, würdestdu bitte deine jugendlichen Augen nutzen und die Tür für uns öffnen?«
    »Selbstverständlich, Magister.« Nicodemus schrieb einen einfachen Satz in Magnus in seinen Unterarm, und mit dem Zeigefinger – seinem einzigen freien Finger – schnippte er den Zauber um die Türklinke. Unter dem Geraschel der Papiere drückte er die Klinke herunter und zog. »Sie ist offen, Magister. Wohin gehen wir?«
    »Zur Hauptbibliothek«, ertönte eine Stimme hinter Smallwoods Schriftrollenberg.

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