Nicolai
Maria. Sie ist meine einzige Freundin. Du hast sie
ja heute bereits kennengelernt.“ „Und warum hast du keinen Freund? Du bist sehr
hübsch.“ Ich wurde verlegen. Mit Komplimenten konnte ich nicht umgehen. Was
sage ich ihm denn jetzt? „Hm, vielen
Dank.“, beschämt blickte ich nach unten. „Der Richtige war noch nicht dabei.
Ich lege mich nicht so schnell fest. Und ich bin sehr anspruchsvoll.“ Das klang
jetzt bestimmt ganz cool, dachte ich mir und sah schnell aus dem Fenster.
Dieser Mann schaffte es immer wieder, mich in null Komma nichts zu
verunsichern.
Nicolai
winkte dem Kellner zu, der auch gleich zu uns rüberkam. „Ich möchte gerne
zahlen.“ Nicolai holte seine Geldbörse aus seinem grauen Jackett, das ihm
umwerfend gut stand. Währenddessen sah der Kellner mich lächelnd an. Mir fiel auf, dass er sehr
blass war, fast so blass wie Nicolai. Und erst jetzt bemerkte ich, dass auch er
ein blaues und ein braunes Auge hatte. Verwundert sah ich beide an. Nachdem Nicolai
bezahlt hatte verabschiedete sich der Kellner höflich von uns und ging weg. Wir
standen auf und gingen nach draußen. Von der Sonne war immer noch nichts zu
sehen. „Komm, wir gehen ein wenig am Wasser entlang spazieren.“, sprach Nicolai.
Wie konnte ich da nein sagen. Höflich legte er mir sein Jackett um meine
Schultern, als er bemerkte dass ich leicht friere. Dann gingen wir eine Weile
schweigend nebeneinander her. Beim See angekommen setzten wir uns auf einen
Baumstumpf und sahen zwei kleinen Kindern zu die mit einem bunten Ball
spielten. Sie warfen sich ihn immer gegenseitig zu. „Du hast also keinen Job zur
Zeit?“, durchbrach endlich Nicolai das Schweigen. „Möchtest du wieder
arbeiten?“, fragte er gleich hinterher. „Ja, natürlich möchte ich wieder
arbeiten. Ich muss ja schließlich meine Miete bezahlen. Und ein paar neue
Schuhe brauche ich auch mal wieder.“, antwortete ich ihm mit deutlich klarer
Stimme. Denn das war mir wirklich wichtig, dass ich wieder eine Arbeit hatte.
„Was hältst du davon in meiner Firma anzufangen? Meine Sekretärin hat
aufgehört. Der Platz wäre frei. Nicolai sah mich mit einem ernsthaften Blick
an. „Was ist das denn für eine Firma die du hast?“, fragte ich ihn nun sehr
neugierig. Er sah kurz auf den Boden und dann zu mir. „Ich habe eine Blutspendebank .“ „Eine Blutspendebank ?“,
fragte ich ihn etwas entsetzt, weil ich echt glaubte mich verhört zu haben.
„Ja, genau. Eine Blutspendebank . Du glaubst gar nicht
wie groß die Nachfrage von Krankenhäusern nach Blutkonserven ist. Das
menschliche Blut ist so edel und kostbar wie ein guter Wein. Jeder der gesund
ist kann Blut spenden und sollte es. Du auch!“ Als Nicolai das sagte sah er
mich ein wenig verschmitzt an. „Komm doch morgen früh einfach mal in mein Büro vorbei.
Dann kannst du dir das alles ansehen.“ Er holte aus seiner Brieftasche eine Visitenkarte
und überreichte sie mir. Plötzlich wurden wir von lautem Kindergeschrei aus
unserer Zweisamkeit herausgerissen. Die beiden Kinder standen aufgeregt am
Wasser und mussten mit ansehen wie ihr bunter Ball vom Ufer abtrieb. Das eine
Kind zog sich gerade die Schuhe aus und wollte ins Wasser gehen, als ich
aufsprang und es gerade noch zurückhalten konnte. „Das ist zu gefährlich, bleibe
hier. Der Ball ist schon zu weit draußen. Deine Mami kauft dir bestimmt einen
neuen Ball.“, versuchte ich das Kind zu trösten. Doch so leicht ließ sich das
Kind nicht trösten. Es fing herzzerreißend an zu weinen. Nicolai stand jetzt
auch auf und ging zum Ufer. Er blickte auf den See, wo der bunte Ball immer
weiter abtrieb. Es war aussichtslos ihn zurückzubekommen. „Nimm die Kinder und
bringe sie ins Hotel.“, forderte er mich fast unfreundlich auf. Etwas komisch
sah ich ihn an, folgte aber seiner Anweisung. Mit beiden Kindern ging ich in
Richtung Hotel. Vom weitem kam mir eine junge Frau entgegen. Die Kinder rissen
sich von meiner Hand los und rannten auf sie aufgeregt zu. Das musste wohl die
Mutter sein, dachte ich mir. In diesem Moment verdunkelte sich der Himmel und
es wurde etwas stürmisch. Es fing an zu regnen. „Gehen sie schnell ins Hotel
zurück.“, rief ich der Mutter zu. Dann drehte ich mich um und rannte zurück zum
See. Wo war denn jetzt Nicolai? Unter einem Baum am Ufer des Sees suchte ich
etwas Schutz und blickte auf das Wasser. Von weitem konnte ich den bunten Ball sehen
und einen Mann – der über das Wasser lief. Nicolai? In diesem Moment kam
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