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Nie mehr Nacht (German Edition)

Nie mehr Nacht (German Edition)

Titel: Nie mehr Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Bonné
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musste auch das Dach undicht sein, weil es im Obergeschoss Wasserflecke an den Decken gab. Und überall neue Risse in der Mauer.
    »Ove glaubt, wir kriegen das alles hin, aber ich bin mir da nicht so sicher. Zehn Tage sind wir jetzt hier, und er ist selber erstaunt, wie viele Vögel täglich ankommen. Allein gestern hat er dreihundert Weißstörche gezählt. Ein Rätsel, wo die herkommen. Ich vermute ja, aus Schottland. Ove meint, dass sie wahrscheinlich aus Schweden sind. Dass sie ihre südliche Flugroute geändert haben, auch wenn das nur alle paar hundert Jahre vorkommt. Meinst du, du kannst ihm mit dem Dach ein bisschen helfen? Ich werde natürlich auch die Jungs fragen und ihnen ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen können.«
    »Ich wollte mich eh irgendwie nützlich machen.«
    Das sagte ich so dahin, ohne nachzudenken. Stattdessen fragte ich mich, woher sie diese Vertraulichkeit nahm, ihr Duzen, die gleichbleibend gute Laune. Ich war ein Fremder. Sie konnte nicht wissen, dass ich mich mit Verbindlichkeiten so wenig auskannte wie mit Störchen und Hausreparaturen.
    »Mir sind Vögel auch piepegal«, sagte Cat. »Nicht mal streicheln lassen sich die.« Sie blätterte in einem Ordner voller Klarsichthüllen, in denen bunte Figurenkarten steckten, ein Star Wars: The Clone Wars -Sammelalbum.
    »Mach das jetzt mal zu«, sagte ihre Mutter. »Iss dein Marmeladebrot und trink deinen Kakao, dann kannst du weiter sortieren.« Maybritt steckte sich die langen blonden Haare hoch, sodass ich ihre Achseln sah. Obwohl es in der Küche nicht warm war, hatte sie nur ein T-Shirt und eine Jogginghose an. »Möchtest du Kaffee, oder trinkst du morgens Tee?«
    »Kaffee, danke, ich schenke mir ein.«
    Ich war aber nicht schnell genug, schon langte ihr Arm voller winziger roter Sommersprossen über den Tisch.
    Catinka sah mich durchdringend an, während mir ihre Mutter einschenkte. Sehr ernst fragte mich Cat: »Glaubst du auch, dass ich klein bin? Und dass man alles mit mir machen kann?«
    »Iss«, sagte Maybritt lächelnd. »Und sei nicht so biestig. So habe ich es nicht gesagt.«
    »›Seit man mit der Kleinen alles machen kann‹, hast du gesagt, und damit hast du mich gemeint.«
    »Ja, das stimmt, aber ich habe es anders gemeint.«
    Mit der Messerspitze kratzte Catinka ein kryptisches Zeichen in die Himbeermarmelade auf ihrer Brotscheibe.
    »Wer ist deine Lieblingsfigur?«, fragte ich sie, als sie die Augen verdrehte. »Anakin Skywalker?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Obi-Wan. Und wen magst du?«
    »Padmé Amidala«, sagte ich. »Und weißt du was? Sie sieht dir ein bisschen ähnlich, auch wenn du blond bist und Sommersprossen hast. Das ist mir schon gestern Abend aufgefallen.«
    Als Cat nach oben gerannt war, um wenigstens Carlo zu holen, wenn sie schon nicht die Jungs wecken durfte, blieb ich mit Maybritt allein. Ich aß ein Hörnchen und trank meinen Kaffee, und während die fremde Frau in Kevins Dossier blätterte und mir ab und zu eine Frage über diese oder jene Brücke stellte, sah ich den Regenfäden dabei zu, wie sie an den Küchenfenstern hinunterliefen, und folgte mit Blicken den Vögeln. Krähen und ein paar Elstern flogen jetzt mit den Möwen.
    Maybritt sah sich die Mappe genau an und erzählte dabei, dass sie in einem Kunstbuchverlag gearbeitet hatte, bis Margo auf die Welt gekommen war. Sechzehn Jahre war das jetzt her.
    »Weißt du, was du vor sechzehn Jahren gemacht hast?«
    Ich antwortete, dass ich vermutlich nichts gemacht hatte, nicht viel mehr außer Zeichnungen. Alles andere ging sie nichts an. Vor sechzehn Jahren war ich mit Saskia verheiratet gewesen, und Ira war in Israel schwanger geworden. Auch vor sechzehn Jahren hatte ich Hemingway gelesen und mein Leben irgendwie gelebt, hatte Tage und Nächte hinter mich gebracht, die so lange vergangen waren, als hätte es sie nie gegeben.
    Seit Catinka in die Schule ging, arbeitete sie wieder, halbtags, von zu Hause aus, online für ein Magazin aus Odense, sagte Maybritt. Sie redigierte Artikel über Natur und Kunst. Abends, wenn sie allein war, übersetzte sie Gedichte von Emily Dickinson ins Dänische, aber das war Hobby. Sie kannte St:art , mochte das Magazin, manchmal kaufte sie es sogar.
    »Waren da schon andere Zeichnungen von dir drin?«
    »Nein«, log ich.
    Einmal, sagte sie, war sie in einer Ausstellung von mir, in einer Galerie im Kontorhausviertel.
    »Ist schon paar Jahre her. Ich glaube, sie hieß Vier , weil es um Bilder von vier Städten

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