Nie Wirst Du Entkommen
langsam die Luft aus. »Ja, habe ich.«
Vitos Kopf fuhr herum, und der Zorn in seinen Augen war brennend. »Sie wussten davon?«
»Nicht bis eben. Und wir wussten nicht, dass er ihr eine Kopie schicken wollte.«
Vito verengte die Augen. »Eine Kopie. Dann gibt es mehrere CD s.«
Murphy räusperte sich. »Wie weit sind Sie damit gekommen, die Papiere in Kisten zu verpacken?«
Vito blinzelte, als würde er Murphys Anwesenheit gerade erst wahrnehmen.
»Das ist mein Partner, Todd Murphy«, sagte Aidan ruhig.
»Wir hatten gerade erst angefangen. Sagen Sie Ihrem Lieutenant, er soll jemanden schicken, der die Sache zu Ende bringt.« Vito schob trotzig das Kinn vor. »Ich bringe sie jetzt nach Hause.«
»Sie kann nicht in ihre Wohnung zurück«, sagte Murphy bestimmt.
Vito biss die Zähne zusammen. »Ich rede nicht von diesem Mausoleum auf der Michigan Avenue. Ich bringe Sie nach Hause. Wir nehmen den nächsten Flieger nach Philadelphia.«
»Nein.« Tess stand vom Sofa auf, blieb aber davor stehen, als wolle sie erst probieren, ob ihre Beine sie trugen. Amy Miller und Jon Carter standen ebenfalls auf, um sie aufzufangen, falls es nicht klappte. Tess schob sanft Amys Hände weg. »Alles okay, Amy.« Sie durchquerte ihr Zimmer und kam zu Vito, ihre Freunde direkt hinter ihr. »Ich gehe nirgendwohin, Vito.«
Ihr Gesicht war blass, aber die Augen waren klar. Sie hob das Kinn und begegnete Aidans Blick, und er war plötzlich ungemein stolz auf sie. »Das war nicht derselbe Kerl.«
Aidan dachte dasselbe, aber er wollte hören, was sie zu der Meinung brachte. »Warum nicht?«
»Dies ist nicht mit der gleichen Kälte durchgeführt worden wie die anderen Sachen. Das hier scheint mir eher … opportunistisch. Als ob einer seiner Untergebenen die Leine durchgebissen hätte und abgehauen wäre.« Sie zuckte die Achseln. »Alles, was bisher geschehen ist, sollte Angst und Schrecken verbreiten. Kranke, verletzliche Menschen wurden manipuliert, bis sie zusammengebrochen sind. Dieser Typ hier kann nichts Schlimmeres vollbringen, als mich zu demütigen. Und das nur, wenn ich es ihm erlaube. Und das werde ich nicht.«
»Wir kriegen ihn, Tess.«
»Ja, das weiß ich. Er ist die einzige Verbindung zu der Person, die vier Menschen auf dem Gewissen hat. Ich bin nur ein Teil davon. Konzentriert euch auf die anderen. Mir geht’s wieder gut, Aidan, ich werde mich schon erholen. Mach deinen Job.« Ihre Tapferkeit schwand, als sie den Umschlag auf Denises Tisch sah. »Musst du das mitnehmen?«
»Das ist ein Beweisstück, Liebes. Aber ich verspreche dir, dass niemand reinsieht, der nichts damit zu tun haben muss.« Aidan wandte sich an Vito. »Fliegen Sie nach Philadelphia zurück?«
»Haben Sie den Schweinehund, der das getan hat, schon erwischt?« Mit einer wütenden Geste deutete Vito auf die Praxisräume.
Clayborn war noch auf freiem Fuß. »Nein. Noch nicht.«
»Dann bleibe ich.«
»In diesem Fall essen Sie heute Abend mit uns. Dann können wir weiter reden. Ich rufe dich an, Tess.« Er war so in Gedanken versunken, dass ihm erst, als er bereits in Murphys Auto saß, auffiel, dass sein Partner seit einer ganzen Weile kein einziges Wort mehr gesagt hatte. »Was?«
»Nichts.« Murphys Lippen zuckten.
»Was?«
Murphy warf ihm einen Blick zu, bevor er sich in den Verkehr einfädelte. »Du hast sie ›Liebes‹ genannt.«
Aidan verdrehte die Augen. Erwischt. »Na und?«
»Und sie hat für dich gekocht.«
Oh, ja.
Erinnerungen an den Morgen fluteten sein Bewusstsein, und er rutschte auf dem Sitz umher. »Fahr einfach, okay?« Er sah auf seinen Notizblock. »Das Haus von Bacons Mutter ist draußen in Cicero.« Sie waren schon bei der Adresse gewesen, die ihnen Bacons Bewährungshelfer gegeben hatte. Der überarbeitete Mann hatte sich offenbar nie die Zeit genommen, die Daten zu überprüfen, sonst wäre ihm wohl aufgefallen, dass es sich bei der »Wohnung« in Wahrheit um eine Tierhandlung handelte.
»Was, wenn wir den Typ nicht rechtzeitig erwischen?«, fragte Murphy, und plötzlich war alle Fröhlichkeit aus seiner Stimme verschwunden. »Falls eine Kopie der CD rausgeht, können wir ihr nicht garantieren, dass das Video nicht irgendwann gesendet wird. Heute oder in zehn Jahren. Sie wird damit leben müssen. Kannst
du
das?«
Aidan war sich nicht sicher, und das machte ihm Sorgen. »Ich esse bloß mit ihr zu Abend, Murphy.«
Murphy klappte den Mund auf, besann sich aber, und zuckte die Achseln. »Meinetwegen.«
Mittwoch,
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