Nie Wirst Du Entkommen
nein.«
»Aber er war sehr rücksichtsvoll, mein alter Kumpel Jason. Er wollte nicht, dass Shelley ihn fand. Also kam er stattdessen in meine Wohnung.« Seine Kehle arbeitete schwer, als er schluckte. »Er hatte eine Menge Pillen genommen und sie mit Jack Daniel’s runtergespült. Dann hat er sich hingelegt. Als ich von der Arbeit nach Hause kam, war er tot.«
»Das war grausam von ihm.« Ihre Stimme klang härter, als sie es beabsichtigt hatte.«
Er öffnete die Augen. »Ich dachte, du hättest Mitgefühl für Selbstmörder.«
»Ich habe Mitgefühl für Menschen mit einem emotionalen Trauma oder mit mentalen Störungen, die sie zum Selbstmord treiben. Ich habe Mitgefühl für die Hinterbliebenen. Ich habe Respekt für die, die sich Hilfe holen. Jason hat sein Leben vergeudet. Und er hat dich mit hineingezogen. Das ist nicht richtig.«
Sein Blick flackerte. »So habe ich das auch immer gesehen. Und mich gefragt, ob ich nicht unfair bin.«
»Das würde mir auch so ergehen, wenn jemand, der mir wichtig war, sich das Leben nimmt. Es sei denn, jemand ist zu krank, um zu verstehen, was er anderen damit antut. War er das? So krank?«
»Ich weiß nicht. Ich werde es wohl auch nie rausfinden. Aber Shelley war vollkommen fertig. Sie hatte keine Arbeit, keine Lebensversicherung. Keine Pension. Keine Ausbildung. Und niemanden, der ihr half.«
»Bis auf dich.«
»Bis auf mich. Wir kamen uns näher. Als Jugendlicher hatte ich auf sie gestanden, aber sie war immer Jasons Freundin gewesen. Jetzt war sie meine. Und ich war glücklich.«
»Und fühltest dich schuldig, weil du zu Lasten deines Freundes glücklich warst?«
»Ein bisschen, ja. Jedenfalls fragte ich Shelley, ob sie mich heiraten wollte, und sie sagte ja. Ich hatte ein bisschen gespart und kaufte ihr einen ganz anständigen Ring.«
»Mochte sie ihn?«
»Sie behauptete es, zeigte ihn aber nicht ihren Freundinnen. Einmal sagte sie etwas von einem größeren Stein, aber ich weigerte mich. Ich konnte es mir nicht leisten. Doch der Neue ihrer Mutter hatte inzwischen ein Vermögen verdient, und Shelleys Mutter kaufte ihr diesen Ring.«
»Oje.«
»Ja. Wir hatten den ersten großen Streit. Und es sollte nicht der letzte sein. Stiefväterchen badete in Geld, und er ging sehr großzügig damit um. Shelley bekam neue Kleider, sogar Pelze. Dann wollte sie ein Haus in einer schickeren Gegend.« Seine Kiefermuskeln pressten sich zusammen. »Daddy wollte helfen.«
Ein Schlag gegen seinen Stolz.
»Und du hast nein gesagt.«
»Und ob ich nein gesagt habe. Dieses Arschloch hat bei jeder Gelegenheit auf mich herabgesehen.«
Das erklärte eine Menge. »Und was war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte?«
»Daddy hat mir einen Job angeboten.« Der Hohn verhärtete seine Stimme. »Ich wollte ihn nicht annehmen, und Shelley schmollte. Schließlich könne ich da dreimal so viel wie bei der Polizei verdienen. Ich hätte ja nur ein Cop-Gehalt. Cop-Gehalt«, wiederholte er verbittert. »Sie sagte das, als müsse ich mich dafür schämen.«
Tess versuchte stets, nicht über die Motive von Leuten zu urteilen, die sie nicht kannte. Aber dieser Mann war kein Patient. Er war ihr Liebhaber, und er war gekränkt worden. »Sie hat dich nicht wirklich geliebt, wenn sie dich unbedingt ändern wollte. Und sie hat dich nicht gekannt, wenn sie geglaubt hat, sie könnte es.«
Seine Brust dehnte sich, als er tief Luft holte. »Danke.«
Sie schob ihre Finger zwischen seine. »Und weiter?«
»Das war’s.«
Nein, das war es nicht. Aber es war deutlich, dass er nicht mehr sagen wollte. »Okay.«
Er öffnete wieder ein Auge. »Okay? Mehr nicht?«
Sie schenkte ihm ein schiefes Lächeln. »Soll ich schmollen? Das ist nicht mein Stil.« Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter. »Obwohl es da noch etwas gibt, was ich ansprechen möchte.«
Er versteifte sich. »Was?«
»Harold Green.«
Abrupt setzte er sich auf, so dass ihr Kopf aufs Bett zurückfiel. »Nein.«
Tess blinzelte. »Warum nicht?«
»Weil …« Er stand auf und ging zum Fenster. »Weil ich nicht darüber reden will. Es war eine Ausnahme, nichts weiter. Ende der Diskussion.«
»Das hast du deinem Vater gestern Abend auch gesagt.«
»Tess, lass es. Bitte.«
»Kann ich nicht. Wenn du nicht reden willst, hörst du mir dann wenigstens zu?«
»Kann ich dich daran hindern, etwas zu sagen?«, fragte er gepresst.
Sie versuchte, nicht gekränkt zu sein. »Ja. Sag mir einfach nein, und ich lege mich schlafen.«
»Ich
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