Nie wirst du vergessen
schaltete in einen niedrigeren Gang und bog in
den Weg ein, der zu seinem Haus führte. Der Scheinwerferstrahl beleuchtete die
hohen Tannen, Ahornbäume und Eichen, die den schmalen Kiesweg säumten. Dann
stellte er den Caravan neben der Garage ab und stürmte die zwei Stufen zur
Haustür hoch.
Worauf hatte er sich da nur eingelassen?
Er würde Laurens Kinder ebenso wenig finden wie die
berühmte Stecknadel im Heuhaufen ... Und warum hatte er ihr das versprochen?
Weil ich ein Narr bin, ein ausgewachsener Narr, der
sich zu einer schönen, intelligenten Frau hingezogen fühlt. Genau wie schon
einmal. Genau wie damals bei Rosemary, sagte er sich grimmig. Er öffnete die
Haustür, stieß sie mit dem Fuß hinter sich zu und stürmte zum Schrank mit dem
Barfach.
Als Lauren am nächsten Morgen in die Treuhandabteilung
kam, fielen ihr die neugierigen Blicke der Kollegen auf. Anscheinend hatten
viele ihrer Kollegen das Fernsehinterview gesehen. Womöglich auch Doug!
Vielleicht war es tatsächlich ein schrecklicher Fehler gewesen, sich mit ihrem
Problem an die Öffentlichkeit zu wenden.
Lauren ging zum Tisch der Sekretärin und nahm die
Notizen an sich. Die zierliche blonde Frau wandte sich nach einem flüchtigen
Lächeln gleich wieder ab. Also fängt es schon an, dachte Lauren mit einem heimlichen
Seufzer. Aber wenn sie nicht im Fernsehen erschienen wäre, hätte Zachary ihren
Fall nicht wieder aufgenommen. Und was dann?
Kurz bevor sie ihr Büro erreichte, begegnete Lauren
der Kassiererin Deila McKeen, einer gebildeten Frau von etwa sechzig Jahren.
Bei Laurens Anblick fuhr sie sich nervös über das graue Haar.
„Guten Morgen", grüßte Lauren freundlich.
„Guten Morgen", erwiderte Deila, die ein bisschen
verlegen wirkte. „Ich, äh, ich ... ich habe Sie gestern im Fernsehen
gesehen."
„Nicht nur Sie. Wahrscheinlich wird das heüte in der
Kantine Thema Nummer eins sein." Lauren lächelte, obwohl ihr nicht danach
zumute war.
„Ich ... ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich
hatte ja keine Ahnung, dass Ihr Exmann Ihnen die Kinder weggenommen hat. Das
ist schrecklich, wirklich ganz schrecklich. Ich habe selbst zwei Kinder, die
allerdings schon erwachsen sind. Aber ich kann mir gar nicht vorstellen, wie
mir zumute gewesen wäre, wenn ich sie verloren hätte. Sie dürfen nicht aufgeben!
Ich an Ihrer Stelle würde mir den besten Anwalt nehmen und diesen Kerl
verfolgen, bis ich ihn erwischt hätte."
„Genau das versuche ich ja."
„So ist es richtig. Ich hoffe, dass alles gut für Sie
ausgeht. Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann ..."
„Dann werde ich mich an Sie wenden. Aber ich bezweifle,
dass mir jemand helfen kann", sagte Lauren. Höchstens Zachary, setzte sie
in Gedanken hinzu.
„Vielleicht jemand, der das Interview gesehen
hat", meinte Deila.
„Vielleicht", erwiderte Lauren leise, hatte aber
keine große Hoffnung.
„Man müsste Ihren Exmann für diese Gemeinheit hinter
Gitter bringen." Deila klopfte Lauren auf die Schulter und ging weiter.
Lauren trat in ihr Büro, hängte Schirm und Regenmantel
auf und setzte sich an den Schreibtisch. Kurz darauf schlenderte Bob Harding
herein und stellte ihr eine Tasse Kaffee hin.
„Was, du bist hier?", fragte er und tat erstaunt.
„Dich habe ich hier nicht erwartet."
„Wieso nicht?" Lauren verstand nicht, was ihr Kollege
und Freund mit dieser Bemerkung meinte.
„Ich dachte, heute wäre jemand anders im Büro."
Bobs Augen funkelten verschmitzt.
„Wieso sollte heute jemand anders hier sein? Wer
denn?"
„Ich weiß aus sicherer Quelle, dass ein neuer Hollywoodstar
hier sein soll."
Du lieber Himmel, wovon sprach Bob? Misstrau- isch
betrachtete Lauren ihren Freund. „Willst du mir nicht endlich sagen, was deine
merkwürdigen Worte bedeuten?"
„Ich habe dich gestern Abend zufällig in dem Interview
gesehen, und dem Klatsch in der Cafeteria nach zu urteilen, war ich durchaus
nicht der einzige Beobachter."
Als sich Lauren die Kollegen vorstellte, wie sie an
den Tischen saßen und sich aufgeregt über sie unterhielten, wurde ihr ganz
seltsam zumute. „Das scheint ja ziemlich schlimm zu sein, nicht wahr,
Bob?" '
Er setzte sich in einen Sessel und wurde ernster.
„Eigentlich nicht, Lauren. Ich habe deutlich gespürt, dass dich alle bedauern
und mit dir fühlen. Sie überlegen sich, wie sie dir helfen könnten."
Lauren war zwar gerührt, aber auch realistisch genug,
um zu wissen, dass ihr keiner helfen konnte. „Ich brauche kein Mitgefühl,
Weitere Kostenlose Bücher