Nie zuvor so geliebt
fortgehen. Sie hatte all ihren Lohn gespart, in dem Wissen, dass sie nach der Hochzeit Geld brauchen würden. Mit diesem Geld konnte sie nach Houston gehen. Oder nach San Antonio. Oder nach Dallas …
Gedankenverloren begann sie zu essen.
Natürlich konnte sie nach Dallas ziehen, ohne mit Chris zusammenzuleben. Zumindest war er dann in ihrer Nähe. Sie konnte sich eine Wohnung mieten und einen Job suchen …
Mach dir nichts vor, ermahnte Maribeth sich. Bobby’s Verhalten zwang sie, sich selbst kritisch zu betrachten. Und was sie dabei herausfand, gefiel ihr gar nicht. Sie war noch nie auf sich allein gestellt gewesen. Sie war stets von ihrer Familie und ihren Freunden umgeben, die sich um sie kümmerten, sie versorgten, sie bemutterten.
Die Wahrheit war, dass sie von allen verwöhnt wurde Nach dem Tod ihrer Eltern hatte Mollie sich um den Haushalt und Megan um die Ranch gekümmert. Und was hatte sie selbst beigetragen? Gar nichts. Sie war mit ihren Freunden losgezogen und hatte eine Zukunft mit Bobby geplant. In ihrem Alter waren Mollie und Megan längst Ehefrauen und Mütter gewesen, hatten den Haushalt geführt., Verantwortung übernommen. Sie selbst hingegen spielte immer noch mit. ihren Tieren und wurde dafür bezahlt.
Es war an der Zeit, dass sie endlich erwachsen wurde. Und Chris bot ihr die Möglichkeit dazu. Sie konnte ihn heiraten, auch wenn ihre Familie es niemals verstehen würde, und sich selbst und allen anderen beweisen, dass sie kein verwöhntes Kind mehr war.
Doch in Wirklichkeit war sie ein Feigling. Sie wollte nicht, dass alle in Agua Verde erfuhren, was Bobby ihr angetan hatte, wie leicht sie sich hatte übertölpeln lassen.
Maribeth blickte auf ihren Teller und stellte fest, dass sie ihn geistesabwesend geleert hatte.
All der Kummer hatte ihr den Appetit doch nicht nehmen können.
An diesem Abend war es ihr unmöglich, eine Entscheidung zu treffen. Zunächst einmal musste sie sich der Tatsache stellen, dass sie trotz all ihrer Hoffnungen, ihrer Pläne und ihrer Träume niemals Mrs. Metcalf werden würde. Dann erst konnte sie entscheiden, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen sollte.
Plötzlich erinnerte sie sich an Chris’ Kuss und erschauerte. Die Empfindungen, die er in ihr erweckt hatte, verblüfften sie. Unzählige Male hatte sie Bobby geküsst und es genossen, aber es hatte sie nie derart überwältigt. Allein die Erinnerung daran rief erneut eine unerwartete Reaktion ihres Körpers hervor, und zu ihrer Verblüffung sehnte sie sich danach, dass es erneut geschah.
3. KAPITEL
„Ich begreife nicht, wie du so seelenruhig dastehe n kannst”, sagte Megan drei Tage später mit wachsender Empörung. „Hast du nicht gehört, was Mollie dir gesagt hat?”
Maribeth musterte sich in dem bodenlangen Spiegel. Sie konzentrierte sich ganz bewusst auf ihr Äußeres, um die Ruhe zu wahren. Sie war zu blass. Sollte eine Braut nicht glühen vor Freude?
Ihre Augen wirkten größer und starrer als gewöhnlich. Sie erkannte sich überhaupt nicht wieder. Sie befühlte den Schleier, der wie eine Wolke über ihrem Kopf zu schweben schien.
Ein angemessener Vergleich. Anscheinend hatte sie jahrelang in den Wolken geschwebt und die Wirklichkeit ignoriert.
Sie war es leid, untätig darauf zu warten, dass ihr Leben richtig begann. Sie war bereit, es selbst in die Hand zu nehmen, fern von Agua Verde und allem, was ihr vertraut war.
Ihre Entscheidung war gefallen und hatte dazu geführt, dass die drei Schwestern sich nun in einem kleinen Nebenraum der Kirche aufhielten, die sie schon ihr Leben lang besuchten. In wenigen Minuten sollte die Hochzeit stattfinden. Eine Hochzeit ohne den vorgesehenen Bräutigam.
„Ich habe es gehört”, erwiderte Maribeth schließlich. Sie hielt den Blick immer noch auf ihr Spiegelbild geheftet, während ihre Gedanken ganz woanders weilten.
„Begreifst du denn nicht, was es bedeutet?” hakte Megan mit zitternder Stimme nach.
„Niemand, absolut niemand in der ganzen Stadt hat Bobby Metcalf bis jetzt gesehen. Zum Glück konnte Chris gestern für ihn bei der Probe einspringen, aber wenn er nicht in den nächsten Minuten eintrifft, was dann? Du machst dich zum Narren, wenn du zum Altar schreitest und kein Bräutigam auf dich wartet. Die Zeit wird knapp, Mary Elizabeth. Du solltest die Zeremonie jetzt absagen, bevor du vor den Altar trittst.”
Maribeth konnte natürlich die Hochzeit absagen, wenn sie wollte.
Niemand zwang sie, Chris zu heiraten, obwohl sie die
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