Niedersachsen Mafia
Schulterholsters.
»Wer?«, wiederholte Frauke ihre Frage mit aller Schärfe.
»Also, wir …«, stotterte Madsack und begann noch einmal neu. »Von
uns war das keiner. Das muss in Zusammenarbeit zwischen Lüneburg, dem Zoll und
der Bundespolizei an der Grenze geschehen sein.«
»Da werden alle Ermittlungsansätze zunichtegemacht«, schimpfte
Frauke. »Nun ist diese Quelle versiegt, und die Organisation sucht sich eine
neue Verteilerbasis, von der wir nichts wissen. Wie sollen wir an die
Hintermänner herankommen?«
In der Runde herrschte betretenes Schweigen. »Amateure«, fluchte
Frauke.
»Immerhin scheint es das Motorrad zu sein, das beim Mord an
Friedrich Rabenstein zur Flucht benutzt wurde. Der Zoll hat es sichergestellt,
obwohl es nicht als gestohlen gemeldet wurde und auch die Rahmennummer nicht
beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg registriert ist«, sagte Madsack mit
leiser Stimme.
»Die Meldung an uns ist wichtig, aber wir sind auf der Suche nach
ganz anderen Dingen«, sagte Frauke mit scharfer Stimme. Dann zeigte sie auf
Putensenf und Schwarczer. »Sie beide begleiten mich in den Verhörraum. Wir
werden den Fahrer befragen. Wie heißt er eigentlich?«
»Wolodymyr Kasarow«, sagte Schwarczer. »Ich kümmere mich darum«,
schob er schnell hinterher.
Wenig später saßen die drei Beamten einem Mann mit zerfurchtem
Gesicht und schwieligen Händen gegenüber. Auf Frauke wirkte Kasarow wie ein
Landarbeiter aus einer abgelegenen Region. Der Mann in dem selbst gestrickten
Pullover mit dem Ölfleck auf der Vorderseite sah betroffen zu Boden und vermied
jeden Blickkontakt.
»Darf ich?«, fragte Schwarczer und wartete die Antwort nicht ab. Er
war aufgestanden, hatte sich hinter Kasarow gestellt und vorsichtig eine Hand
auf dessen Schulter gelegt. Mit ruhiger, beinahe sanfter Stimme sprach er auf
den Mann ein. Er sprach Russisch. Zumindest nahm Frauke es an, da sie kein Wort
verstand.
Kasarow saß zunächst teilnahmslos auf seinem Stuhl, dann sah er sich
suchend um. Er musterte Frauke, dann Putensenf, schließlich sah er über die
Schulter zu Schwarczer, der immer noch hinter ihm stand und ruhig seine Hand
auf Kasarows Schulter liegen ließ.
Der Mann sandte einen unverkennbar hilfesuchenden Blick zu Frauke.
Dann sprach Schwarczer in gleichbleibend ruhiger Tonlage weiter. Kasarow begann
nervös seine Hände zu kneten. Ungläubig sah er den Kommissar an. Als dieser
erneut zu reden begann, nickte Kasarow heftig. Plötzlich sprudelte es aus ihm
heraus. Es schien, als wäre er gar nicht mehr zu bremsen.
Schwarczer hatte seine Hand von der Schulter genommen, war langsam
um den Tisch herumgegangen und hatte neben Frauke auf der gegenüberliegenden
Seite des Tisches Platz genommen. Beinahe beruhigend nickte er Kasarow zu,
sagte noch etwas in der fremden Sprache und wandte sich dann Frauke zu.
»Das war Russisch«, erklärte er und wies auf das Mikrofron auf dem Tisch.
»Ein vereidigter Dolmetscher wird es für das Protokoll übersetzen.«
»Was haben Sie gesagt?«, herrschte Frauke den Kommissar an. »Der
Mann war sichtlich verängstigt. Wir arbeiten hier sauber, Schwarczer.
Schmutzige Tricks machen unsere Arbeit zunichte, weil sie von jedem
Rechtsanwalt vor Gericht zerrissen werden. Ist das klar?«
Der Kommissar nickte, ohne sich irritiert zu zeigen. »Ich sagte
bereits, dass die Aussage von einem Dolmetscher übersetzt werden muss. Ich habe
ihn gefragt, ob die Polizei seines Heimatlandes von seiner Tätigkeit weiß. Die
russischen Ermittlungsbehörden sind nicht sehr begeistert, wenn sie es mit
Rauschgifthändlern zu …«
»Moment«, unterbrach ihn Frauke. »Wer spricht von Rauschgift?«
»Medikamente sind in Russland etwas Ähnliches wie Rauschgift«,
erklärte Schwarczer. »Besonders falsche. Es ist nicht erstrebenswert, in einem
russischen Gefängnis zu sitzen. Wenn die Mitgefangenen auch noch erfahren, dass
man Beziehungen zur Drogenmafia hat, dann wird man schnell unter Druck gesetzt und
soll seine ›Kontakte‹ nutzen, um Drogen ins Gefängnis zu schmuggeln. Die Bosse
werden aber kaum auf ein so kleines Licht wie ihn hier hören. So würde er
zwischen Baum und Borke schweben und wäre den Chefs im Gefängnis ausgesetzt,
weil die vermuten würden, dass er die Geschäfte auf eigene Faust machen will.
Das ist sehr ungesund. Das habe ich ihm erzählt. Und dass es besser ist, sich
den deutschen Behörden anzuvertrauen, als in Russland verhaftet zu werden. Er
kann nicht davon ausgehen, dass wir bei der
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