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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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Anlass, darauf einzugehen, Jardines Bruder hatte sich seine Meinung gebildet. Wyatt wartete. Nach weiteren Flüchen, untermalt vom Geräusch scharrender Füße auf Teppichboden, hielt der Mann urplötzlich inne, als besinne er sich auf feinere Instinkte. Er lauschte, genau wie Wyatt, und gab seine Position nicht preis.
    Wyatt setzte sich auf den Hintern. Es war sinnlos, nach der Waffe zu suchen. Er tastete mit der rechten Hand, bis er den alten Sessel berührte, der an der Wand neben ihm stand. Untenherum verlief eine mit Glasstiften verzierte Fransenkante. Wyatt glitt mit der Hand zwischen die Fransen und fand das Messer, das er mit Isolierband am unteren Rahmen befestigt hatte.
    Das blieb nicht unbemerkt, Mündungsfeuer blitzte auf und eine Ladung Schrot durchsiebte den Sessel. Wyatt hatte jetzt seinen Gegner lokalisiert, sprang auf und stürmte quer durch den Raum, das Messer in der Hand.
    Die Klinge verfehlte ihr Ziel. Sie stießen mit den Schultern zusammen, die Klinge sauste vorbei und zerschnitt nur Luft.
    Es kam zum Clinch. Jardines Bruder war derartiges Ringen nicht gewohnt. Er wollte einem Impuls folgen, beiseitespringen und die Flinte auf Wyatt richten; Wyatts Instinkt hingegen befahl, in den Infight zu gehen und die Waffe zwischen sich und dem Gegner einzuklemmen. Mit dem angestrengten, von Panik gezeichneten Ächzen des Mannes als Soundtrack zog Wyatt den Angreifer auf die Klinge. Als Erstes war da der Widerstand von Stoff, Haut und Knochen, dann schob sich die Klinge zwischen die Knochen des Brustkorbs. Davon überrascht, stieß Jardines Bruder ein leises, ungläubiges »Oh« hervor. Die Waffe fiel ihm aus der Hand. Wyatt spürte, dass sein Gegner schwankte, und ließ ihn kurz darauf auf den Boden sinken. Als er nach dem Puls fühlte, begann der bereits zu flattern.
    Wyatt tastete sich vor zum Sicherungskasten, schraubte die Sicherung fest und das Licht ging an. Er überdachte seine Situation. Die Familie wusste von seinem Briefkontakt. Der Bruder war nach Hobart gekommen, hatte Wyatt dort aufgelauert und ihn anschließend verfolgt. Jetzt hatte es Wyatt mit einer Leiche in seiner Wohnung zu tun, mit einer Blutlache auf dem Teppich und Nachbarn, die vermutlich den Schuss gehört hatten. Darauf hätte er gut verzichten können, aber im Grunde konnte er die Jardines dafür nicht verantwortlich machen. Was menschliche Handlungen betraf, gab es in Wyatts Spiel nur die einfache Buchführung. Die Suche nach einem neuen Schlupfwinkel hatte jetzt Vorrang.

    DREIZEHN

    Für Raymond kam es einer Art Folter gleich, mit anderen eine Unterkunft zu teilen, aufzustehen, wenn sie aufstanden, mit ihnen gemeinsam am Küchentisch zu sitzen, bei Toast und Eiern, Kaffee zu trinken, ihrem Geplapper beizuwohnen und stundenlang zu warten, dass sie in die Gänge kamen. Doch er arbeitete diesmal nicht allein. Er arbeitete mit anderen zusammen und die mussten bei Laune gehalten werden. Das war wichtig für den Job, aber in Gedanken war er bereits im Danach, wenn Rücksichtnahme auf das Wohlbefinden anderer Leute keine Rolle mehr spielte, weil man diese Leute dann los war.
    Oder auch nicht. Auf Vallance konnte er getrost verzichten. Bei Allie sah die Sache anders aus. Er beobachtete die beiden beim Frühstücken und es war Folter. Allie und Vallance bewegten sich in einem für sie angenehmen Tran, kauten in Zeitlupe, die Gesichter vom Schlaf verquollen. Allie trug einen lockeren Pyjama aus Satin, der dort, wo er sich an Busen und Hintern schmiegte, einen aufregenden, geschmeidigen Körper erahnen ließ. Sie war umwerfend. Ganz anders Vallance. Er trug einen Frotteerbademantel, sah zerknittert aus, wirkte träge und trottete eher dahin, als dass er ging. Raymond versuchte, sich die Art ihrer Leidenschaft vorzustellen. Es gelang ihm nicht.
    Man hatte Raymond die Couch zum Schlafen angeboten. Die durchgesessene Sitzfläche versprach tagelange Steifheit des Rückens, also hatte er sich mit seinem Bettzeug auf den Boden gelegt. Dennoch hatte er schlecht geschlafen. Um 4 Uhr 20 war er aufgewacht und hatte im Licht des Digitalweckers Allie neben sich hocken sehen. Lange kann sie hier noch nicht hocken, hatte er gedacht, denn irgendwo hinten, Richtung Flur, hatte gerade die Toilettenspülung aufgehört zu rauschen. Raymond hatte tief eingeatmet und etwas sagen wollen, doch Allie hatte das zu verhindern gewusst, indem sie ihre Finger geküsst und auf seine

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