Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Niemand, Den Du Kennst

Titel: Niemand, Den Du Kennst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Richmond
Vom Netzwerk:
war kein guter Schnitt«, sagte er. »Trotzdem, das Entscheidende daran war, dass du die erste Frau warst, die ich das je habe machen lassen.«
    Ich spürte, wie mein Gesicht sich erhitzte. Es war eigenartig. Konnte bei zwei Menschen, die einander so nah gewesen waren wie wir beide, und das über einen so langen Zeitraum, tatsächlich noch Verlegenheit aufkommen?
    Ich nahm meinen schweren Löffel in die Hand und zerbrach die Kruste auf dem Kaffee, froh, etwas zu tun zu haben. »Jetzt ist er zu kalt«, stellte ich fest. »Ich muss noch mal von vorne anfangen.«
    Henry sagte etwas, und ich dachte, ich müsste mich verhört haben. »Was hast du gerade gesagt?«
    »Vielleicht sollten wir darüber mal nachdenken. Du und ich. Noch mal von vorne anzufangen.«
    Ich legte den Löffel auf den Tisch. »Ist das dein Ernst?«
    »Warum findest du die Vorstellung so verrückt?«
    »Es ist drei Jahre her, Henry.«
    »Ich habe nie aufgehört, an dich zu denken.«
    »Als du weg warst, habe ich ewig lange darauf gewartet, dass du wieder zu dir kommst, weil ich mir sicher war, dass es nicht einfach so abrupt enden könnte. Aber du kamst nicht zurück, und ich folgerte daraus, dass ich dich so viel mehr geliebt haben musste als du mich. Das war die einzig vernünftige Erklärung, die mir einfiel. Jetzt bist du wieder hier. Ich sollte sauer auf dich sein.«

    »Du hast mich nie mehr geliebt«, sagte Henry. »Wenn überhaupt, war es umgekehrt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Dann hättest du dich um unsere Beziehung bemüht.«
    »Das habe ich doch. Wie oft habe ich dir gesagt, dass ich keinen Streit mehr ertrage? Du hast immer zugestimmt, hast mir versprochen, dich nicht mehr über Kleinigkeiten aufzuregen. Dann lief alles ein paar Wochen lang gut, einen Monat vielleicht, und plötzlich hast du dich wieder über irgendetwas beschwert, mich für etwas angegriffen, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich es getan hatte.«
    »So war ich?«
    Er seufzte. »Ja, so warst du.«
    »Das tut mir leid.«
    »Ich möchte nicht, dass du dich entschuldigst. Wenn jemand sich entschuldigen sollte, dann ich. Glaub nicht, ich wüsste nicht, was für ein Blödmann ich am Ende war. Ehrlich, ich könnte gut verstehen, wenn du nicht einmal mehr mit mir sprechen würdest. Ich wollte dich nur daran erinnern, dass ich mir große Mühe mit uns gegeben habe. Aber bei jedem Streit hatte ich dein Eindruck, dass du es nicht ganz ernst meinst. Der einzige Reim, den ich mir darauf machen konnte, war, dass du mich aus irgendeinem Grund von dir wegstoßen wolltest.«
    »Das wollte ich überhaupt nicht.«
    Eine Minute lang sagte keiner von uns etwas. Ich tauchte den Löffel in den lauwarmen Kaffee, kratzte nacheinander die Kruste von der Oberfläche aller neun Gläser.
    »So war es immer«, sagte er leise.
    »Wie?«
    »Wir fingen ein ernstes Gespräch an, und sobald es für dich unangenehm wurde, hast du irgendetwas anderes gemacht:
Wäsche gewaschen, Geschirr gespült, Kaffee gekocht, was auch immer.«
    Ich hob den Blick. Ich wusste, dass er recht hatte. Aus irgendeinem Grund konnte ich trotz aller Bemühungen eine gewisse Ebene von Vertrautheit nicht überschreiten, nicht einmal bei Henry.
    »Du hast einmal etwas zu mir gesagt«, begann ich. »Ganz am Anfang. Du meintest, dass der Keim des Niedergangs einer Beziehung immer sichtbar sei, schon vom allerersten Moment an. Du sagtest, wenn man zu Beginn ganz genau hinsehe, dann könne man immer bereits das Ende sehen. Damals schien mir das ein bisschen absurd. Doch dann, während dieser letzten Monate, als wir uns so viel stritten, dachte ich ernstlich über deine Bemerkung nach. Ich verfolgte unsere gesamte Beziehung zurück bis zum Anfang, bis hin zu unserer ersten Verabredung. Ich wollte diesen Keim finden, ich wollte den Hinweis finden, der das Ende vorhersagte.«
    »Und, hast du ihn gefunden?«, fragte er sanft.
    »Nein. Gar nicht. Er war nicht da. Zumindest für mich war er nicht da. Und seitdem, seit drei Jahren, frage ich mich, ob das Anzeichen für dich da war. Ich meine, hast du bei unserer ersten Verabredung etwas an mir bemerkt, oder als wir das erste Mal miteinander geschlafen haben, oder verdammt, was weiß ich, als wir uns das erste Mal begegnet sind, was dir sagte, wie alles enden würde?«
    Er spielte mit einem Löffel auf dem Tisch. »Wenn ich dir jetzt etwas sage, versprichst du mir, dass du es nicht falsch verstehst?«, fragte er.
    Ich überlegte immer noch, ob ich wirklich hören wollte, was immer er zu

Weitere Kostenlose Bücher