Niemand ist eine Insel (German Edition)
Männer, die Joe aus Hollywood mitgebracht hatte. Sie bewegten sich sehr schnell auf mich zu, und ich hatte sehr große Angst, denn nur Joe war ein Zwerg, die anderen konnten mich, jeder einzeln, zusammenschlagen, kräftige, sportgestählte Herren, die zweimal jährlich ihrer hohen Position wegen ärztlich durchuntersucht wurden und dauernd im Fitness-Training standen. Ich meine die Amerikaner. Diesem Lejeune brauchte ich nur einen Tritt zu geben, damit er die Schnauze hielt, aber was hatte ich davon, wenn die anderen sich dann über mich hermachten?
Ich stand, in Socken, auf und wich zurück. Sie kamen schnell näher. Ich wich weiter zurück. Zuletzt stieß ich an die Wand hinter mir und erkannte: Weiter ging’s nicht. Ich dachte, daß ich viel für einen Schlagring gegeben hätte. Das Geld vom Rennen lag auch noch auf einem Tisch, sah ich entsetzt.
»Hören Sie, Joe …«, begann ich, aber der Kleine mit dem weißen Haar unterbrach mich laut.
»Kein Wort, Sie Schwein«, sagte Joe Gitzburger.
»Machen Sie, daß Sie hier rauskommen«, begann ich wiederum, während die anderen schon alle um mich herumtraten und mich mit einem Ausdruck ansahen, den ich schwer beschreiben kann. Sicherlich gibt es Metzger, die gerne Schweine schlachten, und die sehen dann so aus, bevor sie sich an die Arbeit machen. Aber es muß diese Metzger auch ergreifen, was sie tun, denn ergriffen sahen die Hunde aus – besonders Joe und Bracken.
»Sie sollen das Maul halten, Sie Schwein«, sagte der kleine Joe, und ich hatte das verrückte Gefühl, daß er mich am liebsten zu sich heruntergezogen und auf die Stirn geküßt hätte. »Schwein«, sagte er, »habe ich gesagt.«
»Hab’s gehört«, sagte ich. Auf Socken kam ich mir besonders hilflos vor. »Superschwein«, sagte Joe, und es klang fast zärtlich. »Sie sind ein Superschwein, Phil, aber auch ein Superschwein muß man bezahlen, wenn man es braucht. Und wir brauchen Sie.«
Danach glaubte ich für einen Moment, ich würde umkippen, aber ich kippte nicht um. Mir wurde blitzartig klar: Die Hunde waren, nachdem Joe mich rausgeschmissen hatte, in Panik geraten, denn sie brauchten mich nun wirklich wie einen Bissen Brot, und vermutlich hatten sie die unmöglichsten Ersatzlösungen beraten und verworfen und die große Angst bekommen, ich sei zu irgendeiner Nachrichtenagentur gelaufen und hätte den Brüdern dort die ganze Wahrheit erzählt. Ich sage Ihnen, mein Herr Richter, der Verlorene Sohn kann von seiner Familie nicht freundlicher behandelt worden sein, als ich es nun wurde.
Joe sagte: »Okay, okay, tut mir leid, das von heute früh. Bis heute abend haben Sie die halbe Million Dollar, genau wie Sie sie haben wollen.«
Sie werden zugeben, mein Herr Richter, das war ein bißchen viel, um es zu verdauen, nicht wahr? Ich machte einen Schritt vorwärts, und Joe und die anderen wichen zurück, und ich ging ganz langsam, denn mir war schwindlig, zu dem Stuhl, vor dem meine dreckigen Schuhe standen, und setzte mich, und sie kamen von allen Seiten geräuschlos, sozusagen auf Zehenspitzen, näher, und zum Schluß standen sie so um mich herum wie die Bullen um einen ganz üblen Schurken in den einschlägigen US-Krimi-TV-Serien. Sie hatten nur keine Hüte auf.
»Was ist los mit Ihnen?« fragte Joe. »Haben Sie mich nicht verstanden?«
»Ich habe Sie sehr gut verstanden, Joe«, sagte ich.
»Heute abend. In kleinen Scheinen, wie Sie es wollten. Dauert eine Weile, bis man das zusammen hat. Wir haben schon Leute losgeschickt. Zu vielen Banken. Sehr viel Geld, eine halbe Million.«
»Nein«, sagte ich.
»Was nein?« fragte Joe.
»Nein, ich nehme kein Geld«, sagte ich. »Ich entschuldige mich bei Ihnen, Joe. Ich entschuldige mich bei Ihnen allen, meine Herren.« Und ich sah zu ihnen allen auf.
»Was ist das nun wieder für ein neuer Dreh?« krähte Lejeune mit seiner zerquetschten Sängerknabenstimme.
»Das ist kein neuer Dreh«, sagte ich. »Das ist die Wahrheit.«
Sehen Sie, mein Herr Richter, nach all der Grübelei war mir nun endlich eingefallen, wie ich zu Ruth zurückkehren konnte. Nicht zu Babs. Die war mir weiter so gleichgültig wie bisher. (Bildete ich mir damals jedenfalls ein!) Aber zu Ruth. Zu Ruth! So einfach war das. Und ich war so lange Zeit nicht daraufgekommen.
»Das ist die reine Wahrheit«, sagte ich. »Ich will kein Geld. Ich brauche nur ein bißchen, um zu leben, aber das wird mir Sylvia geben wie bisher. Und ich tue alles, was Sie von mir verlangen, meine
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