Niemand ist eine Insel (German Edition)
mir machen?«
Das ist etwa eine halbe Stunde so weitergegangen. Und Sylvia hat – wenn auch unter dem Einfluß des Sedativums – heroisch gekämpft. Sie ist nun einmal die Mutter von Babs. Man hätte ihre Wünsche respektieren müssen. Aber ich habe gewußt, daß man das niemals tun, daß man sie niemals zu Babs fliegen lassen würde – jetzt nicht und später auch nicht. Später schon gar nicht! Der einzige, der jetzt zu Babs fliegen konnte und auch mußte, immer wieder, war ich. Und das machte mich unendlich glücklich. Denn so kam ich immer wieder zu Ruth. Ruth, die gesagt hatte, daß sie mich liebt.
Immer weiter sind die Schneeflocken herabgesunken, Sylvia hat immer weiter geweint, und dann hat Joe mit seiner weihevollen Stimme gesagt, daß ich mich nun um Babs kümmern würde, wann immer das möglich war, daß es furchtbar sei, was da passiert war, aber daß Sylvia nicht nur eine so große Schauspielerin, sondern auch ein so großer Mensch sei, und daß nur die wirklich Großen in die Hölle des Lebens gerieten, die anderen stünden bloß davor und wärmten sich oder etwas ähnlich Intelligentes, und daß das jetzt, beim KREIDEKREIS, klar werden müsse, denn jetzt werde Sylvia, leidgeprüft, so spielen wie nie zuvor. Sylvia hat ihn unterbrochen und gesagt, sie werde überhaupt nicht mehr spielen, und als daraufhin wiederum Joe versucht hat, sie mit seiner gütigen Stimme zu unterbrechen, hat Sylvia, wohlklingend, gedämpft, in klassischem King’s English, zu ihm gesagt: »Joe, du alter, verrotteter Sohn einer Hündin, wenn du nicht sofort dein widerwärtiges Dreckmaul hältst und mich zu Ende sprechen läßt, dann klebe ich dir eine, so wahr mir Gott helfe.«
Und sie kämpft, wenn auch immer in dieser durch das Medikament bestimmten, gedämpften Art, um ein Wiedersehen mit Babs und weigert sich, noch einmal vor eins Kamera zu treten.
Joe wird eiskalt, ohne daß seine Stimme sich ändert.
»Die Vorarbeiten zum KREIDEKREIS laufen. Fast alle Verträge sind abgeschlossen. Wenn du nicht spielst, verklagen dich SEVEN STARS auf fünfundzwanzig Millionen Schadenersatz.«
»Und auf weitere fünfzig Millionen allgemeinen Schadenersatz«, sagt einer der amerikanischen Anwälte.
Das geht jetzt los wie Maschinengewehrfeuer.
Ein anderer Anwalt: »Dazu verlangen wir die Bezahlung der Konventionalstrafe, die Ihr Vertrag mit uns vorsieht, und das ist die höchste, die es jemals gab.«
Ein dritter Anwalt: »Gleichzeitig – heute noch, wenn es sein muß – distanzieren sich SEVEN STARS von Ihnen, Mrs. Moran, und brechen jede Geschäftsverbindung zu Ihnen für alle Zeiten ab.«
»Und eine entsprechende Information geht – wenn es sein muß, heute noch – an alle großen Nachrichtenagenturen der Welt«, sagt ein vierter Anwalt.
»Welchen Grund für die Distanzierung wollen Sie angeben?«
»Das werden Sie morgen in allen Zeitungen lesen können, Mrs. Moran«, sagt der erste Anwalt.
»Vielleicht sagt ihr auch mal etwas!« sagt Sylvia zu Bracken und mir.
Bracken sagt: »Der Mann, der uns mit den Tonbändern erpreßt, wird das morgen früh auch in irgendeiner Zeitung lesen.«
Sylvia preßt eine Faust gegen den Mund.
Joe steht auf und knipst die elektrischen Birnen von ein paar Wandarmen an und kommt durch den prunkvollen Salon zurück, Hände in den Hosentaschen, tritt dicht vor Sylvia und sagt: »Deshalb ist ja die Konventionalstrafe bei dir immer so hoch, deshalb haben wir ja in den Verträgen mit dir seit … damals immer diese besonderen Sicherungen eingebaut – weil wir, wenn es den Skandal des Jahrhunderts gibt, wenn die Konkurrenz die Bänder veröffentlicht, weil wir dann auch in die Geschichte verwickelt sind, in die hübsche Geschichte deiner hübschen Äußerungen über hirngeschädigte Kinder.« Joe ist nun in Fahrt, ein Haifisch, ein Gangster, nichts hält ihn auf. »Nun hast du also selber eins. Fein. Fein für dich. Fein für uns. Vielleicht wachst du mal auf, Sylvia!« Er packt sie – der kleine Kerl wagt es, Sylvia auch noch zu berühren! – am Kinn und reißt ihr brutal den Kopf hoch, so daß sie ihn ansehen muß. »Kapiert endlich? Brauchst nicht zu antworten. Hast kapiert, ich sehe es. Jetzt halt du das Maul! Ich bin noch nicht fertig. Wenn du nicht von dieser Minute an alles, aber auch alles tust, was SEVEN STARS von dir verlangen, dann ist es aus mit dir für alle Zeit.« Ich sehe, daß etwas in Sylvias Gesicht zuckt. »Dann werden wir kein Blatt vor den Mund nehmen. Dann
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