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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Joe. (Nicht mehr mit salbungsvoller Stimme.) »Mit einer solchen Untersuchung durch die größten Kapazitäten der Welt erkläre ich mich namens SEVEN STARS nämlich nur einverstanden, wenn du dich – für den Fall, daß die absolute Mehrheit zu der eindeutigen Diagnose kommt, die jener der Ärztin aus Nürnberg entspricht –, wenn du, Sylvia, dich dann bereit erklärst, Babs aus der Öffentlichkeit endgültig verschwinden zu lassen.«
    Verschwinden zu lassen – das sagt er tatsächlich.
    Und alle sehen Sylvia an.
    »Diese Bereitschaft mußt du schriftlich erklären – und zwar jetzt. Sofort. Hier.«
    »Hier?«
    »Ja, hier. Wir haben ja Anwälte hier. Wir haben ja einen Notar hier. Wir haben Zeugen. Charley!«
    »Mister Gintzburger?«
    »Rufen Sie unten an. Wir brauchen eine Schreibmaschine. Sie werden tippen.«
    »Ja, Mister Gintzburger«, sagte PR-Charley.
    Da ist es 18 Uhr 15.

    Um 23 Uhr bin ich wieder in Nürnberg.
    Ich stehe am Bett von Babs, die reglos daliegt, wie tot. Neben mir steht Ruth. Ich habe versucht, sie zu küssen, als ich eintraf, aber sie hat den Kopf zurückgeneigt und gesagt: »Nicht. Nicht jetzt. Bitte, Phil.«
    Ich habe Ruth alles berichtet, was in Paris besprochen worden ist. Ruth ist darüber sehr erschrocken gewesen.
    »Unsere Diagnose ist doch richtig!« hat Ruth gesagt. »Natürlich gibt es große, berühmte Ärzte für diese Fälle in der ganzen Welt. Aber unsere Diagnose stimmt – leider.«
    »Man hat Sylvia fünf Koryphäen gestattet. Doktor Sigrand ist dabei, die besten auszusuchen. Sie können überall in der Welt sein. Doktor Sigrand will uns zwei Ärzte und zwei Krankenschwestern zur Verfügung stellen. Wir haben Sylvias Jet.«
    »Verbrecherisch, verbrecherisch ist das«, hat Ruth gesagt.
    »Warum? Ist Babs nicht transportfähig?«
    »In ein paar Tagen kann ich sie so weit kriegen, daß sie transportfähig ist. Die Anstrengung wird dennoch ungeheuerlich für sie sein. Und dann geht Zeit verloren, Phil! Kostbarste Zeit.«
    »Und?«
    »Und in dieser Zeit könnte man schon beginnen, Babs zu helfen. Statt dessen verlieren wir diese Zeit.«
    »Es ist so beschlossen«, habe ich gesagt. »Ich muß tun, was Sylvia will. Sylvia besteht darauf. Ihre Vereinbarung mit SEVEN STARS basiert darauf. Alles basiert darauf – die Produktion des Films, Sylvias Zukunft, die …«
    »Ja«, antwortete Ruth, »natürlich. Was ist gegen all das die Zukunft eines Kindes?«
    Nun stehen wir am Bett dieses Kindes.
    Die kleine Lampe verbreitet gedämpftes Licht, und es ist still auf dem Gang draußen, totenstill. Und es schneit auch in Nürnberg heftig, es schneit in ganz Europa, und es soll noch mehr Schnee kommen, hat mir Captain Callaghan während des Fluges gesagt.
    Da stehen wir, Hand in Hand, Ruth und ich, und vor uns liegt unbeweglich, in tiefstem Schlaf, wieder zusammengerollt, Babs.
    »Das Geld«, sagt Ruth mit großer Bitterkeit. »Das verfluchte Geld.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Warum ist diese Wahnsinnsfliegerei überhaupt möglich? Weil Geld da ist, weil Mrs. Moran und die Filmgesellschaft Geld haben, so sehr viel Geld!«
    »Und?«
    »Und das ist schlimm. Wäre kein Geld da, um Babs in der Welt herumzufliegen, wäre Babs das ganz gewöhnliche Kind einer ganz gewöhnlichen Mutter, dann hätte sie mehr Glück – das Glück nämlich, daß sofort mit einer gezielten Behandlung begonnen und keine Zeit verloren wird.« Stille. Dann sagt Ruth: »Nichts ist gefährlicher als die Kombination von Krankheit und Reichtum des Kranken.«
    Kaleidoskop.
    Nein, nicht Kaleidoskop: Wahnsinn!
    Was jetzt ausbrach, war Wahnsinn, schreiender Wahnsinn …

    Tagebuch:
    Montag, 7. Februar 1972: Ruth hat Babs ›transportfähig‹ gemacht. Die Sache mit Babs’ Augen ist mittlerweile so schlimm geworden, daß sie ständig eine Schielbrille tragen muß. Sie sieht entsetzlich damit aus. Niemand würde auch nur vermuten, daß sie Babs Moran ist. Sie spricht noch immer kein einziges Wort. Sie scheint mich nicht zu erkennen.
    In einer Ambulanz wird sie zum Flughafen Nürnberg gebracht, wo die SUPER-ONE-ELEVEN wartet. Mit den französischen Ärzten und Schwestern. Auch zwei amerikanische Privatdetektive .von SEVEN STARS begleiten uns auf der Reise.
    Ich soll in einem Taxi nachkommen. Abschied von Ruth. Sie ist unglücklich und besorgt, aber sie muß sich fügen. In ihrem Zimmer, vor ihrem Schreibtisch, küßt sie mich plötzlich. Ich umarme sie. Ich fühle, wie sie mir etwas in die Jackentasche steckt.

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