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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Dr. Lévy wagte nicht, Sylvia eine weitere Injektion oder auch nur weitere Sedativa zu geben aus Angst, sie könnte lallend sprechen.
    Ich saß bei diesem neuerlichen Schminken neben Sylvia in dem großen Umkleideraum. Sie hatte gewünscht, daß ich ihre Hand hielt, die naß von Schweiß war, und ich dachte, wie sehr mir Sylvia leid tat und wie sehr ich Ruth liebte.
    Bracken kam mit Ruth herein.
    »Entschuldige, Sylvia, aber alle warten auf dich, wir haben uns fast schon eine Dreiviertelstunde verspätet. Oh, darf ich bekanntmachen – Mrs. Moran, Frau Doktor Reinhardt. Sie hat eben noch einmal nach Babs gesehen.«
    »Guten Tag, Madame Moran«, sagte Ruth.
    »Guten Tag, Madame«, sagte Sylvia.
    Hier und heute wurde nur französisch gesprochen.
    »Ich danke Ihnen sehr für alles, was Sie für Babs getan haben«, sagte Sylvia, in den Spiegel sehend, Joe rechts von ihr, Katie links von ihr stehend.
    »Es war selbstverständlich, und ich habe es gern getan«, sagte Ruth.
    Wir vermieden es, einander anzusehen.
    »Babs kommt ja jetzt wieder zu Ihnen«, sagte Sylvia.
    »Ja, Madame Moran«, sagte Ruth.
    »Ich danke Ihnen noch einmal«, sagte Sylvia. Dann wurde ihre Stimme laut: »Seid ihr noch immer nicht fertig, verflucht?«
    »Fertig, Mrs. Moran«, sagte Katie.
    Sylvia, die in Unterkleidern dagesessen hatte, erhob sich. Katie half ihr wieder in den Hosenanzug.

59
    E ndlich – um 16 Uhr 45 – waren wir dann alle in dem Raum neben dem ›Blauen Salon‹ versammelt.
    »Raus jetzt mit uns«, sagte Joe. Ich sah, daß er sich heimlich bekreuzigte. Nur ich hatte es gesehen. Sonst sah das niemand. Er schob den Vorhang beiseite und trat auf das Podium. Im gleichen Moment blendeten die Scheinwerfer auf. Joe ging ein paar Schritte weit, dann wandte er sich um und machte eine Handbewegung. Darauf kam Rod Bracken. Machte eine Handbewegung. Ich kam. Machte eine Handbewegung.
    Sylvia Moran kam auf das Podium.
    Sie blieb stehen, hob beide Arme und warf Kußhändchen in den Saal. Ich hatte sie eben noch oben in 419 erlebt – und nun, und nun! Sie ist eine phantastische Schauspielerin, mein Herr Richter, sie ist in der Tat die größte.
    Alle TV-Kameras nahmen auf, Blitzlichter zuckten wie in einem übertriebenen Gewitter, prasselnder Beifall brach los. Sylvia ging vor uns zu einem Stuhl in der Mitte des langen Tisches. Sie setzte sich. Ich setzte mich links von ihr. Joe setzte sich rechts von ihr. Neben mir saß Rod. Alles war genau besprochen.
    Nun vergingen fünf Minuten, in denen nur fotografiert wurde.
    Dann hob Joe eine Hand und stand auf.
    »Guten Tag, meine Damen und Herren«, sagte er in seinem schlechten Französisch. »Ich begrüße Sie herzlichst. Wir haben Sie hierhergebeten, weil wir Ihnen etwas zu sagen haben, das viele von Ihnen interessieren wird. Am besten sagt es Ihnen Madame Moran.« Er setzte sich. Ich sah, daß er die Hände gefaltet hielt.
    Sylvia rückte ein Mikrofon zurecht, wartete einige Sekunden, bis es ganz still im Saal war, dann begann sie zu sprechen – so beherrscht, so gelassen, so fröhlich, als beginne sie eine Märchenstunde.
    »Meine lieben Freunde hier, meine lieben Freunde überall in der Welt! Ich war, wie Sie wissen, in Urlaub, um mich für mein neues Filmvorhaben – das größte, an dem ich jemals beteiligt war, den KREIDEKREIS – zu erholen. Sie wissen, meine geliebte Babs war mit mir, während Phil …« – Blick der Liebe zu mir – »… in Madrid schon mit den Vorbereitungen zur Produktion begonnen hat. Nun sind Babs und ich zurückgekehrt …«
    »Wo ist Babs?«
    »Babs!«
    Rufe durcheinander.
    »Einen Moment, bitte. Deshalb haben wir Sie ja hierhergebeten. Heute soll eben nur die Rede von Babs sein. Ich, Phil, Joe, Rod, Sie alle, wir alle, die Menschen der ganzen Welt lieben Babs. Nun, meine Freunde, die Zeit ist gekommen, eine Weile von Babs Abschied zu nehmen.« Effektvolle Pause. Was für eine Schauspielerin, dachte ich, was für eine Schauspielerin! »Sehen Sie«, fuhr Sylvia fort, »Babs ist zu erwachsen geworden, um andauernd weiter mit Phil und mir durch die Welt zu fliegen – nun zum Beispiel für Monate nach Madrid und kreuz und quer durch Spanien. Babs braucht Ruhe, einen festen Wohnsitz, eine richtige Schule, sie kann nicht mehr von einem Privatlehrer unterrichtet werden.«
    »Richtige Schule, wo?« rief ein Reporter.
    »Das kann ich leider nicht verraten.«
    »Warum nicht?«
    Mein Stichwort!
    Ich sagte: »Weil sie vor allem Ruhe braucht. Die hätte sie

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