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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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einer wirklich gesunden Mrs. Moran erreichen.«
    »Sie meinen: Dann müssen Sie sie nun erst wirklich gesund machen?«
    »Das meine ich. Mrs. Moran ist im Santa-Monica-Hospital. Dort wird sie bleiben.«
    »Lange?«
    »Ja, Monate, drei, vier bestimmt. Sie wollen doch noch sehr viel Geld mit Mrs. Moran verdienen, Mister Gintzburger«, sagte Dr. Kassner. Sein Gesicht war unbewegt.
    »Sie dürfen mich nicht falsch verstehen«, jammerte Joe. »Behandeln Sie unsere liebe Sylvia, solange Sie es für nötig halten. Geld – püh! Es geht mir doch nicht um Geld, Doc. Es geht mir darum, daß …«
    »… Mrs. Moran ein gesundes, leistungsfähiges, glückliches Mitglied Ihrer großen, glücklichen Familie bleibt, ich weiß.«
    »Ja, das ist es wirklich, Doc!«
    »Natürlich, Mister Gintzburger.« Kein Muskel in Dr. Kassners Gesicht verriet, was er dachte.
    »Wenn es natürlich Ihrer großen Kunst gelingt, Sylvia, unsere liebe, tapfere Sylvia, so rechtzeitig wieder auf die Beine zu bringen, daß wir den Herbsttermin einhalten können …«
    »Ich sehe, wir verstehen uns vollkommen, Mister Gintzburger. Ich werde mir alle Mühe geben. Es wird nicht leicht sein. Babs …« Dr. Kassner war genau unterrichtet. »Aber ich will alles versuchen.«
    »Was wollen Sie mit Sylvia tun?« fragte ich. »Ganz kurz nur, bitte, für Laien verständlich.«
    »Für Laien …« Dr. Kassner sah uns alle an. »Nun, wie Sie wissen, habe ich Mrs. Moran bislang ambulant mit Psychopharmaka auf den Beinen gehalten. Das war das, was ich die ›Notlösung‹ nenne. Sie muß nun in der Klinik bleiben. Die Psychopharmaka, alle bisherigen Mittel, werden zunächst einmal grundsätzlich abgesetzt.«
    »Aber dann wird es ihr doch ganz elend gehen«, sagte Joe, der liebende, besorgte Vater.
    »Gewiß, Mister Gintzburger. Eine Zeitlang wird es ihr gar nicht gut gehen. Es besteht aber keine Gefahr, sie ist ja bei uns und damit unter Kontrolle. Das wird Wochen dauern, sicherlich. In dieser Zeit ist es das Beste, wenn niemand von Ihnen zu Mrs. Moran kommt … das Beste für Mrs. Moran! Sie fliegen am besten zurück nach Deutschland, Mister Kaven.« Ich nickte. »Dann, wenn die Entwöhnung von den Mitteln, die sie aufrechtgehalten haben, gelungen ist, wenn sie auch ohne sie auskommt, werden wir zweierlei mit ihr machen: Erstens werden wir sie auf andere Mittel einstellen. Zweitens, und das ist viel wichtiger, kann ich dann mit einer gezielten Psychotherapie beginnen.«
    »Großer Gott«, sagte Bracken. »Schon wieder?«
    »Schon wieder? Ach, Sie meinen … Nein«, sagte Dr. Kassner. »Nein, ich bin kein Analytiker. Ich bin Psychiater. Keine Couch. Keine Narkoanalysen und derartiges. Ich rede mit Mrs. Moran. Ich höre ihr zu. Wir besprechen gemeinsam ihre Probleme. Was sie braucht, ist eine verhaltenstherapeutisch orientierte Behandlung. In einer gewissen Weise wird es so sein wie bei Babs …«
    »Wie meinen Sie das?« fragte ich.
    »Ich meine«, sagte Dr. Kassner, »daß wir Mrs. Moran zu einem aktiven, positiven Verhalten und Reagieren bringen müssen, daß sie jedes abnorme Verhalten ablegen muß.«
    »Und das trauen Sie sich zu?«
    »Ja, Mister Kaven. Man kann das steuern … wieder wie bei Babs etwa. Durch Zuwendung und Ablehnung.«
    »Was heißt das?«
    »Bei richtiger Entwicklung, bei richtigem Verhalten belohnt der Arzt – es ist für den Patienten wirklich eine Belohnung! – dieses Verhalten durch sehr deutliche persönliche Zuwendung. Bei abnormen Reaktionen erfolgt Ablehnung – man läßt den Patienten scheinbar links liegen, so daß es aussieht, als ob man sich nicht um ihn kümmert … Das ist eine schwierige Sache, zu der viel Geduld gehört, bei allen Beteiligten. Aber es ist der einzig richtige Weg. Wünschen Sie, daß ich ihn einschlage?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Ja«, sagte Bracken.
    Joe sagte nichts. Wir sahen ihn alle an. Er stand auf, trat vor ein großes Foto Sylvias an der Wand, schüttelte den Kopf und senkte ihn dann.
    »Mmmmmm!« Bracken stieß mich an.
    »Was ist?«
    Bracken deutete mit dem Kinn.
    Ich sah, daß Joe Gintzburger weinte. Die Tränen kullerten über seine Wangen. Die Zigarre war ausgegangen.
    »Arme, liebe Sylvia«, sagte Joe erstickt. »Ja, Doc, ja, tun Sie, was Sie vorhaben. Ich sehe alles ein. Sie werden das Richtige tun. Sie werden uns eine gesunde Sylvia wiedergeben.«

51
    T agebuch.
    Hier, mein Herr Richter, folgt ein kurzer Bericht über das, was in Heroldsheid seit meinem Abflug in die

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