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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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MISSION TO BERLIN begannen – auch wieder mit mir als ›Produktionschef‹ – die Vorbereitungen in Paris und Berlin ab Anfang September. In New York vertrat mich Bob Cummings, der natürlich auch wieder alle Arbeit in Europa leisten mußte. Ich mußte lediglich viel fliegen …
    Was den KREIDEKREIS betrifft: Er war das – keine Übertreibung, mein Herr Richter, Sie wissen es – Weltgespräch in Kinokreisen. Er spielte bis zur Katastrophe mehr als achtzig Millionen Dollar ein, in wenigen Monaten, und noch lange nicht in allen großen Ländern.
    In dieser ganzen Zeit verhielt sich Romero Rettland absolut ruhig – er hätte gestorben sein können, ohne daß wir es wußten.
    Am 15. September verließ Sylvia das Santa-Monica-Hospital. Sie war in so guter Verfassung, und die neue Medikation, auf die sie eingestellt worden war, wirkte so großartig, daß Dr. Kassner ohne Bedenken seine Zustimmung zu der neuen Filmarbeit gab, die in Berlin beginnen sollte.
    Am 23. September traf Sylvia in Berlin ein. Sie mußte die Wochen vor Drehbeginn anwesend sein. Ich flog mit ihr nach Berlin, darauf bestand Joe, darauf bestand Bracken, darauf bestanden die Anwälte, und es gab das übliche Theater zur Begrüßung.
    Drei Tage bevor ich Heroldsheid verließ, um Babs für längere Zeit wieder der Obhut von Frau Grosser zu übergeben, nahm Babs mich beiseite und sagte, sie habe einen Wunsch.
    »Ja, Babs, welchen denn?«
    »Ich … Phil … ich möchte wieder einen Nounours haben … Ich mache ihn auch ganz bestimmt nicht kaputt … Ich will ihn nur lieb haben …«
    »Wie soll er denn aussehen?«
    »Schwarz, bitte. Mit blauen Augen.«
    So fuhr ich nach Nürnberg und kaufte einen kleinen schwarzen Teddybären mit blauen Augen. Er hatte einen Knopf im Ohr, und das entzückte Babs dann am meisten.

52
    W as für unglaublich kleine Füße für einen so großen Mann, dachte der Hauptkommissar Wigbert Sondersen. Er stand in der Mitte des Zimmers und betrachtete seit mehreren Minuten reglos die Stelle, an welcher der so große Mann zusammengebrochen war. Kraftloses Licht einer schwachen elektrischen Birne machte alles in diesem trostlosen Raum noch trostloser. Von Schmutz wie von zähem, erstarrtem Schleim überzogen war an vielen Stellen die abblätternde Tapete mit ihren verblaßten Streifen, ihrem verblaßten Blümchenmuster an den Wänden, welche, riesigen Furunkeln ähnelnd, Beulen zeigten sowie dunkel glänzende, an die geteerten Flächen der Straßenpissoirs erinnernde Feuchtigkeitsflecken. Eine Kommode. Ein Schrank mit einem großen, querdurch gebrochenen Spiegel, Bierdeckel unter einem seiner schweren Standklötze. Ihm gegenüber ein Eisenbett, angerostet die Streben, stockig die Wäsche, verschlissen von allzulangem Gebrauch. Dumpfer, säuerlicher Geruch. Wie durchweichte Lappen hingen kurze, schmierig-grüne Leinenvorhänge an beiden Seiten eines kleinen Fensters ohne Gardinen, dessen Rahmenteile dort, wo sie dereinst weiße Farbe bedeckt hatte, nun dunkles, faulig wirkendes Holz zeigten.
    Ich kann über all dies berichten, mein Herr Richter, weil der Hauptkommissar Sondersen mir davon später in aller Ausführlichkeit erzählt hat.
    In der Ecke neben dem Fenster befand sich ein Waschbecken, dreimal gesprungen, voller Flecken, gelblich, bräunlich. Zwei zusammengefaltete Handtücher mit roten Streifen auf seinem Rand, eingetrocknete Seifenstückchen in den Schalen, ein halberblindeter Spiegel darüber – die kahle Birne dort funktionierte ebensowenig wie der Warmwasserhahn, Sondersen hatte das festgestellt. Ein tragbares Holzbidet und eine Blechkanne hinter einem windschiefen Wandschirm, dessen einst rosenfarbene, nun teilweise schon braun und schwarz gewordene Stoffbahnen fadenscheinig waren, dünn, zerrissen. Zwischen Kanne und Bidet eine Dose Intimspray, schockfarben gelb.
    Dies alles und des Erbärmlichen mehr also im Funzelschein einer schwachen Birne unter grünlichem Porzellanschirm an der Zimmerdecke. Fliegendreck dort oben ebenso wie auf den beiden Spiegeln, wie überall in diesem stinkenden Zimmer einer stinkenden Absteige. Von Zeit zu Zeit nur noch drangen Straßenlärm und einzelne Stimmen aus der Tiefe der schmalen Gasse durch das Fenster, dann und wann auch Motorengeräusch vom nahen Parkplatz. Eine Sackgasse in der Nürnberger Altstadt war diese Gasse. Nun dröhnten überlaut Glockenschläge. Das muß die St.-Lorenz-Kirche sein, dachte Sondersen. Schon neun Uhr. Kalt war diese unfreundliche

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