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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Die Krampfer! Die Wasserköpfe! Die Gelähmten!« Großer Schluck. »Ein Album mit Fotos haben sie mir ins Hotel geschickt, mit Bildern von diesen Kindern! Damit ich’s auch richtig mit Gefühl mache! Bilder! Hochglanz! Achtzehn mal vierundzwanzig! Den Magen hat es mir umgedreht bei diesen Bildern! Nie, nie, nie habe ich etwas so Scheußliches gesehen, etwas so Gräßliches, etwas so Widerwärtiges! Träumen werde ich davon! Hundertmal! Tausendmal! Niemals vergessen können werde ich diese Fotos!« Yehudi Menuhin auf dem Monitor-Schirm. Alberto Moravia. Ali Khan. Abba Eban. Andrej Gromyko. Sophia Loren. George McNamara. Norman Mailer. Marc Chagall. Dr. DeBakey. Billy Wilder. Kardinal König.
    In den Spiegel hinein schrie Sylvia: »Du und ich, wir wissen beide, daß so was einfach weg muß!«
    Jetzt hatte ich genug. Wenn die so schrie, war draußen jedes Wort zu verstehen.
    »Hör endlich auf! Es kommt auf den Grad der Schädigung an! So viele Fälle, so sehr viele Fälle, die ganz schlimm sind, kann man heute schon bessern!«
    Sylvia trank wieder.
    Cognac rann ihr aus dem Mund, über das Kinn, den Hals hinunter in den Einschnitt zwischen den Brüsten im BH. Sie lachte auf einmal irre.
    » Besssern , ja? Damit sie nach zehn Jahren schon bis drei zählen können – wenn sie nach zehn Jahren überhaupt reden können, ja? Damit sie nach fünfzehn Jahren allein aufs Klo gehen können und nicht einfach, wo sie liegen oder hocken, alles unter sich lassen, ja? Großer Gott, was für eine Besserung!«
    »Hör endlich auf, verflucht!«
    Sie hörte nicht auf.
    »Ich sage dir, ich habe diese Fotos gesehen, die sie mir – ich möchte wissen, welcher Narr auf die Idee gekommen ist! – ins HÔTEL DE PARIS geschickt haben! Diese Fotos … diese Fotos …«
    »Diese Fotos habe ich auch gesehen«, sagte ich.
    Auf dem Monitorschirm sah ich, wie nun Dutzende von Kellnern das Gala-Diner servierten.
    »Ja, und?« Sie blickte zu mir auf. Die Schminke war jetzt fort aus ihrem Gesicht, diesem schönsten aller Gesichter, diesem Gesicht einer Heiligen. Mein Herr Richter!
    Ich habe eingangs geschrieben, daß die Wahrheit, die ich zu berichten habe, scheußlich ist, abstoßend, daß die Wahrheit Sie das Grausen lehren wird. Ich habe auch geschrieben, daß ich niemals mehr lügen werde. Wenn Sie im Folgenden entsetzt sind über das, was Sie lesen, dann zügeln Sie Ihr Entsetzen bitte, gehen Sie sparsam um mit Ihrer Abscheu, ich bin noch am Anfang, ganz am Anfang, all das, was ich jetzt berichtet habe, ist harmlos, völlig harmlos im Vergleich zu dem, was ich noch zu erzählen habe.
    Sehen Sie, als Sylvia so zu mir aufblickte, da wußte ich, was ich tun mußte – in meinem Interesse. Natürlich auch in ihrem. Ihr Wohlergehen garantierte meines. Nun, und so fiel mir das Folgende äußerst leicht …
    »Was heißt: ja und?« sagte ich kopfschüttelnd. »Das war Rod und dir – ich habe, du erinnerst dich, lange gezögert, bevor ich mich eurer Meinung anschloß –, das war doch von vornherein klar, daß du nicht diesen Kindern helfen, daß du nicht die Welt verbessern, sondern daß du für dich Publicity machen solltest! Das war doch abgesprochen, oder? Damit warst du doch einverstanden – oder? Sag bloß, du warst es nicht!« Ich legte eine Hand auf ihre nackte Schulter. »Und glaube mir, mein Hexlein – glaube mir, das war eine wundervolle Publicity! Rund um den Erdball! So was hast du noch nie gehabt! So was wirst du nie wieder haben! Im Regieraum, die Assistentin, die hat geweint! Ich wette mit dir um mein Leben: Millionen, Hunderte von Millionen haben geweint, denn du warst phantastisch !«
    Natürlich wußte ich, daß es nicht gleich auf Anhieb gelingen würde. Gelang auch nicht.
    »Phantastisch?«
    »Frag, wen du willst hier!«
    »Hier, wo ich Gast bin, wird jemand nein sagen!« Jetzt rieb sie ihre Haut mit irgendeiner anderen Creme ein. »Mach dich doch nicht lächerlich! Frag jemanden in Hollywood, in New York, in Paris, in Wien, was er von meinem Gelabber hielt!« Sylvia fuhr herum, das Haar hatte sie nun hochgebunden, die Creme ließ ihre Gesichtshaut glänzen, sie schrie: »Frag, wen du willst! Jeder wird dir sagen, was ich dir sage: Ich pfeife auf diese Idiotenkinder! Sie sollen krepieren! Möglichst rasch krepieren!«
    Also knallte ich ihr eine. So fest ich konnte.
    Was einer aus der Bronx fertigbringt, bringt einer aus Salem immer noch fertig. Meine Hand war glitschig von der verfluchten Creme. Ich wischte sie an

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