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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Die
Glasaugen im Kopf eines Fuchskragens verfolgten mich. Der Gang war eng und gewunden.
Ich sah ängstlich nach oben auf einen Stapel vergilbter Zeitungen auf einem
Schrank, der auf mich herabzustürzen drohte. Nach ein paar Schritten landete
ich am Ende eines Ganges vor einem hölzernen Pfosten, wie sie früher an
Friseurläden angebracht waren.
    Ich ging wieder rückwärts und wendete
mich nach rechts. Vorsichtig wich ich den Schienen einer Spielzeugeisenbahn
aus, die sich unter einer Kommode hervorschlängelte. Ein angeschlagener
Indianer, der einmal vor einem Zigarrenladen gestanden hatte, stellte sich mir
mit gebrochener Nase in den Weg.
    »Das ist kein Museum«, sagte ich. »Das
ist das Nest einer Packratte — einer verrückten Packratte.«
    Ripinsky gab keine Antwort.
    Ich machte noch ein paar Wendungen nach
rechts und nach links und landete schließlich im vorderen Teil des Ladens vor
einem eisernen Herd, der mit Büchern und vergilbten Zeitungen überhäuft war.
Ripinsky lehnte am Türrahmen, das Gesicht mitsamt der Hakennase im Schatten.
Ich konnte kaum mehr als seinen Umriß und den Lichtreflex in seinen Augen
erkennen. Hinter ihm schimmerte das eigentümlich weiße Nachmittagslicht der
Hochwüste und legte einen matten Heiligenschein um seine dunkelblonden Locken.
Er bewegte sich nicht und sprach kein Wort, sah mir nur zu. Plötzlich wurde mir
die Ruhe bewußt, die in diesem Mausoleum der Vergangenheit herrschte, und
wieder einmal traf mich die große Stille hier im Tal.
    Der Mund wurde mir trocken. Ich fuhr
mit der Zunge über die Lippen und trat zurück, bis meine Hände den Rand des
Herdes zu fassen bekamen. Ein seltsames Bild blitzte in mir auf: Ripinsky und
ich gingen durch die verlassene Straße in diesem blassen, verwaschenen
Sonnenlicht, so unwirklich wie die Figuren auf einem überbelichteten Foto.
Während wir gingen, lösten sich zuerst die Stadt und dann wir beide in nichts
auf.
    Ripinsky sah mich noch immer an.
    Ich schluckte, würgte fast wegen der
Trockenheit.
    Er stieß sich vom Türrahmen ab und ließ
die Fliegentür hinter sich zuklappen. Kam in lockeren, gemächlichen Schritten
auf mich zu. Meine Finger klammerten sich um den Rand des Herdes.
    Ripinsky legte beide Hände um mein
Gesicht und schob es vorsichtig zu sich hoch. Ich spürte seine rauhen Finger
auf meiner Haut. Seine Augen fixierten die meinen. Die Fältchen um seine
Augenwinkel waren gespannt. Ich hielt den Atem an. Und wartete.
    Nach einer Weile verengten sich seine
Augen. Er rieb mit dem Daumen über die Prellung auf meiner Wange, dann ließ er
die Hände fallen. Als er sich von mir wegdrehte, sagte er: »Das ist noch nicht
unsere Zeit, McCone.«
    Ich streckte die Hand nach ihm aus,
griff aber nur ins Leere. »Wie bitte?«
    »Sie haben schon verstanden.«
    Ich drehte mich blind um und stieß
gegen einen Garderobenständer voller staubiger Kleidungsstücke. Kämpfte mich
niesend durch sie hindurch. Während ich in meinen Taschen nach einem
Taschentuch wühlte, ging ich weiter auf die gegenüberliegende Wand zu. Ich
wollte Abstand zu ihm gewinnen.
    »McCone«, sagte er, »sind Sie okay?«
    Ich nieste noch einmal und putzte mir
die Nase. »Ja.« Ich betrachtete die Wand vor mir. An ihr hingen zerfetzte und
vergilbte Karten. Sie zeigten offenbar Minenanlagen. Daneben hing ein frisches
weißes Blatt Papier mit den gleichen Markierungen. Es sah aus, als hätte jemand
versucht, die Originale zu kopieren, und dann aufgegeben. Hopwood als
Hersteller von Souvenirs, die er in seinem »Museum« verkaufen wollte?
    »Hy«, sagte ich, »kommen Sie mal her
und sehen Sie sich das an.«
    Er kam und stellte sich neben mich,
nah, aber ohne mich zu berühren. »Das ist die alte Mine«, sagte er nach einem
kurzen Augenblick. »Das hier ist der Hauptschacht mit den verschiedenen
abzweigenden Stollen. Hopwood muß sie hier aufgehängt haben, bevor ihm sein
sogenanntes Museum ernsthaft außer Kontrolle geriet.«
    Ich drehte mich um und warf einen Blick
über das Chaos im Raum. »Wovon war er so besessen?«
    Hy zuckte mit den Schultern.
»Wahrscheinlich glaubte er, dies alles der Nachwelt erhalten zu müssen, aber
das Zeug nahm einfach überhand.«
    Ich dachte an das Foto von dem alten
Mann, das er mir gegeben hatte, und an seine brennenden Augen. Dann sah ich zu Hy
auf und entdeckte die gleiche Intensität in seinem Blick — gebändigt zwar, aber
mit einem stetigen Glimmen.
    Ich sagte: »Gehen wir raus hier.«
     
     
     

24
     
    Weil ich erst

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