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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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noch ein paar Anrufe
erledigen mußte, schlug ich Ripinsky einen gemeinsamen Drink um halb fünf bei
Zelda’s vor. Allzu begeistert war er davon nicht. Aber ich ließ ihn merken, daß
er keine andere Wahl hatte. Dann machte ich mich auf den Weg nach Vernon.
    Ich wollte mich mit Bart Wallace in San
Francisco kurzschließen und ihn fragen, ob bei der Überprüfung der
Polizeiakten, um die ich ihn gebeten hatte, etwas herausgekommen war. Es fragte
sich nur, welches Telefon ich dazu benutzen sollte: Im Coalition-Wohnwagen
konnte Ripinsky auftauchen, bevor ich fertig war. Die Zelle an der Tankstelle
war laut, und man konnte sich keine Notizen machen. Schließlich beschloß ich,
der Neugier von Rose Wittington tapfer die Stirn zu bieten, und fuhr zur
Feriensiedlung.
    Anne-Maries Wagen war fort. Nachdem ich
ihn auch nicht beim Wohnwagen gesehen hatte, war sie wohl schon unterwegs. Der
Chevy stand auch heute wie gewöhnlich vor dem Hauptgebäude, und Rose war damit
beschäftigt, Blätter auf einem kleinen Rasenstück zwischen dem Haus und dem
Highway zusammenzuharken. Ich stellte den Landrover neben ihrem Wagen ab und
ging zu ihr.
    Überraschenderweise schien Rose nicht
übermäßig glücklich, mich noch immer als Gast zu haben. Sie begrüßte mich mit
einem Stirnrunzeln und war ungewohnt kurz angebunden. »Wieso sind Sie noch
hier, nachdem Anne-Marie fort ist?«
    »Ich dachte, ich nutze dieses
Wochenende zu einem Mini-Urlaub.«
    »Aha«, war Roses einziger Kommentar,
und sie harkte weiter.
    »Kann ich mal das Telefon benutzen?«
fragte ich. »Natürlich per Kreditkarte.«
    »Offen gesagt, ich hätte es lieber,
wenn Sie es nicht täten. Die Leute haben mein Entgegenkommen ausgenutzt, und
deshalb habe ich es mir zum Prinzip gemacht, meinen Gästen die Benutzung nicht
mehr zu erlauben.«
    »Ich hoffe, Anne-Marie oder Ned haben
sich da nichts vorzuwerfen.«
    »Ich spreche nicht von den beiden,
sondern von den Gästen im allgemeinen.«
    Es hatte keine anderen Gäste gegeben,
vielleicht schon seit Wochen nicht. Aber die Bemerkung verkniff ich mir. »Na
gut, ich verstehe Ihr Prinzip. Ich fahre zurück in die Stadt und rufe von dort
aus an.« Doch auf halbem Weg zurück zum Landrover blieb ich stehen, weil mir
eine Frage wieder einfiel, die ich ihr stellen wollte. »Rose, wenn jemand eine
notärztliche Versorgung wegen... einer Verletzung brauchte, an wen würde er
sich hier wenden?«
    »Haben Sie sich weh getan?« Besorgt sah
sie sich mein Gesicht an.
    »Äh, ja. Der Kratzer auf der Stirn
fühlt sich an, als hätte er sich entzündet.«
    »Mit solchen Dingen soll man wirklich
nicht spaßen. In der Stadt gibt es keine Klinik und kein Hospital und nur einen
Doktor — Gene Mahoney. Seine Praxis hat er im eigenen Haus in der D Street,
zwei Häuser nach der katholischen Kirche. Gelbes Haus mit grünem Eisenzaun.
Draußen ist ein Schild. Sie können es nicht verfehlen.«
    Ich dankte ihr und stieg in den
Landrover. Als sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte, machte Rose einen leicht
schuldbewußten Eindruck, als bedaure sie nun, mir die Benutzung des Telefons
versagt zu haben, wo ich doch einen Arzt brauchte.
    Die D Street kreuzte vom Swifty Mart
aus den Highway. Die Kirche mit dem weißen Turm an ihrem Ende, die ich letzten
Freitag schon gesehen hatte, war umgeben von einem Meer goldener Blätter von
den Espen, die an den Hängen des Hügels dahinter wuchsen. Die Bäume waren jetzt
fast entlaubt und ihre Zweige zerbrechlich wie die Arme eines Skeletts.
Überrascht stellte ich fest, daß der Herbst hier fast schon vorüber war. In der
Luft lag eine Frische, die Kristen Larks Schneevorhersage bestärkte.
    Ein Schild auf einem eisernen Pfosten
vor dem gelben Haus wies mir den Weg durch das Tor und am Haus entlang zum
Praxiseingang. Als ich eintrat, erklang hinter dem geschlossenen
Empfangsfenster ein Summer. Das Wartezimmer war leer bis auf ein Schaukelpferd
mit ramponiertem Schweif, mit dem sich offensichtlich die jüngeren Patienten
vergnügen sollten. Nach einer Weile wurde die Milchglasscheibe am
Empfangsfenster zur Seite geschoben. Ein Mann mit dünnem weißem Haar sah mich
an. »Kann ich etwas für Sie tun, Miss?«
    »Ich würde gern Dr. Mahoney sprechen?«
    »Ich bin Mahoney. Was kann ich für Sie
tun?«
    Ich ging zum Fenster und zeigte ihm
meinen Ausweis. Sein schmales Gesicht spannte sich, und seine blassen Augen
wurden wachsam und wissend. Er sagte: »Weswegen kommen Sie?«
    »Wegen Earl Hopwood.«
    »Aha.«
    »Wo könnten wir

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