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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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spie mit der Aufschrift ›Die Sino-American
Alliance wünscht Ihnen ein Glückliches Chinesisches Neues Jahr!‹
    »Es kümmert mich nicht, was Sie das kostet, wenn Sie sie mir durch Boten schicken — nur,
tun Sie’s!« Sie warf den Hörer auf die Gabel, während eine Tomate aus ihrem
Sandwich rutschte und auf dem Knie einen Mayonnaisefleck hinterließ. »Scheiße«,
sagte sie kläglich und sah zu mir auf.
    Marcy Cheung hatte ein rundes, leicht
pockennarbiges Gesicht und einen angeschlagenen Schneidezahn. Kaum lächelte sie
mich an, schlug sie sich auch schon die tintenverschmierte Hand vor den Mund
und murmelte: »Vor zwei Monaten habe ich ihn mir beim Wildwasserkanufahren
angehauen, und ich kann es mir noch immer nicht leisten, ihn richten zu lassen.
Sie müssen denken, ich habe nicht die geringste Selbstkritik. Sie sind Sharon?«
    »Ja. Und Sie Marcy?«
    »Hm. Ich würde Ihnen ja gern einen
Stuhl anbieten, aber...« Sie zeigte in die Runde. Sie waren alle belegt mit
Schachteln, Papieren und Magazinen.
    Zum Glück hatte ich dunkle Hosen an. So
setzte ich mich neben sie auf den Fußboden und wich dabei der Tomatenscheibe aus,
die sie vergessen zu haben schien. »Kein Problem.«
    Sie warf den Rest ihres Sandwichs in
den Papierkorb. »Also«, sagte sie. »Lar meint, Sie hassen Gesundheitskost.«
    »Ja. Und ich kann mir nicht vorstellen,
daß Sie tatsächlich schon einmal sein Rezept für Buchweizengrütze probiert
haben.«
    »Stimmt — ich habe ihn angelogen.«
    »Ich habe übrigens auch nie seinen
Protein-Instanttrunk probiert.«
    Sie lächelte, diesmal ohne Rücksicht
auf ihren angeschlagenen Zahn, und streckte mir ihre Hand entgegen. Wir
schüttelten die Hände, und damit war unsere Verbindung besiegelt.
    Das Telefon neben Marcy summte
aufdringlich. Sie sah es an, schnappte den Hörer und sagte: »Ich kann jetzt
nicht reden — bin beschäftigt.« Sie drückte den Unterbrecherknopf und ließ den
Hörer neben der Gabel liegen. »Die einzige Methode, um hier nur ein bißchen
ungestört zu sein.«
    »Ihr Büro ist...«
    Während ich nach einem Wort suchte, das
sie nicht beleidigte, vollendete sie für mich: »Ein höllisches Loch.«
    »Und zu allem Überfluß hat auch noch
Ihr Assistent gekündigt.«
    »Ja.« Sie sah sich niedergeschlagen um.
»Er war ein kompletter Trottel. Vielleicht war das die klügste Tat seines
Lebens.«
    »Ich bekomme ein richtig schlechtes
Gewissen, daß ich Ihnen jetzt noch die Zeit stehle.«
    »Müssen Sie nicht. Wären Sie nicht
gekommen, würde ich jetzt noch immer mit dem Drucker streiten — auch so einem
Trottel. Lar meinte, Sie wollten etwas über die Transpacific Corporation
wissen?«
    »Und über Lionel Ong, wenn möglich.«
    »Warum?«
    »Ich ermittle in einem Mordfall,
zusammen mit der Polizei von San Francisco und dem Sheriffbüro in Mono County.
Einer von Ongs Geschäftspartnern ist erschossen worden.«
    »Sie verdächtigen Lionel?«
    Es war nicht die Frage an sich, sondern
die Art, wie sie dies als feststehende Tatsache hinstellte, die mich
überraschte. »Bisher nicht. Ich suche nach Hintergrundinformationen.«
    »Mein Boss hätte es wahrscheinlich
nicht gern, wenn ich über eines unserer Mitglieder rede. Aber wenn es um
polizeiliche Ermittlungen geht, dann muß ich es wohl. Und Sie haben mich zur
rechten Zeit gefragt.« Sie streckte einen nackten Fuß aus und zog mit den Zehen
einen Karteikasten zu sich heran. Auf der Seite stand mit Filzstift ›Feb.
Interviews‹.
    »Das hier«, sagte sie, als sie in dem
Kasten herumwühlte, »ist Material für unser Februar-Magazin. Wir verschicken es
an alle unsere Firmen, außerdem an Politiker, Handelsgesellschaften und alle,
die sonst interessiert sein könnten. Dieses Heft soll unsere Mitglieder aus
Hongkong vorstellen — falls ich es jemals fertigbekomme. Eigentlich sollte mein
Assistent die Interviews machen, aber er hat nur zwei aufgenommen. Irgendwie
muß ich noch drei zustande bekommen, darunter auch eines mit Ong.«
    »Jedenfalls«, fuhr sie fort, zog eine
Mappe hervor und reichte sie mir, »sind das meine Unterlagen zur Vorbereitung.
Sie können sie sich gern anschauen und Kopien davon machen, wenn Sie wollen.«
    »Danke. Aber könnten Sie ihn mir vorher
wohl mit Ihren eigenen Worten schildern?«
    Marcy Cheung legte die ausgestreckten
Füße übereinander, stützte sich nach hinten auf die Arme und landete mit einer
Hand prompt auf der vergessenen Tomatenscheibe. Ihre Nase verzog sich heftig.
»So ein Mist ! Ich kann mir

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