Niewinter 01 - Gauntlgrym
Türmen gar keine. Vielleicht unterstanden sie dem einen oder anderen der Hochkapitäne, die über Luskan herrschten, erinnerten jedoch eher an Schurken, die sich selbst die Nächsten waren, ein zerlumpter Haufen Halunken ohne Uniform, ohne Regeln und ohne Interesse am Wohlergehen von Luskan.
Die Tore der Stadt standen immer offen. Wenn Luskan angefangen hätte zu unterscheiden, wen man einließ und wen nicht, wäre die Stadt binnen kurzem verlassen gewesen. Im Vergleich zu den Ratten, die von den Schiffen im Hafen an Land kamen, waren selbst die räudigen Hunde, die durch die Tore hereinspazierten, engelsgleiche Wesen.
»Heda, ein Zwerg und ein Drow«, bemerkte einer, als die beiden durch das Tor marschierten.
»Was ist wohl beeindruckender, deine Augen oder dein scharfer Kopf, der das, was du siehst, analysiert hat?«, konterte Bruenor.
»Ihr seid eben ein ungewöhnliches Paar«, sagte der Mann lachend.
»Stimmt doch, Bruenor«, mahnte Drizzt so leise, dass nur der Zwerg es hören konnte.
»Und was gibt es in Luskan Neues, guter Mann?«, fragte der Drow.
»Alles wie immer«, antwortete der Mann. Er schien gute Laune zu haben, denn er stand auf, reckte sich, bis seine Wirbel knackten, und kam einen Schritt auf sie zu. »Zu viele, die die Kanäle verstopfen, und zu viele Ratten auf den Straßen.«
»Kannst du mir verraten, welchem Kapitän du dienst?«, wollte Drizzt wissen.
Der Mann setzte eine verletzte Miene auf und legte eine Hand aufs Herz. »Ehrlich, Schwarzer«, erwiderte er, »ich diene einzig der Stadt der Segel, sonst niemandem.«
Bruenor warf Drizzt einen verstimmten Blick zu, aber der Drow, der die Bräuche dieser chaotischen Stadt besser kannte, lächelte nur und nickte. Eine andere Antwort hatte er gar nicht erwartet.
»Und was habt ihr so vor?«, fragte der Wachmann. »Soll ich euch einen Tipp geben? Sucht ihr vielleicht ein Schiff oder ein bestimmtes Gasthaus?«
»Nein«, sagte Bruenor, womit er beide Fragen meinte.
Zur erheblichen Überraschung des Zwergs antwortete Drizzt jedoch: »Wir sind nur auf der Durchreise. Ein Zimmer für die Nacht. Und morgen vielleicht nach Norden.« Er grüßte, wandte sich ab und sagte dann hörbar zu Bruenor: »Komm, Shivanni wartet.«
»Ah«, sagte der Mann, worauf sich beide nach ihm umsahen. »Jedenfalls gibt es in Luskan gutes Bier. Erst vor zwei Tagen ist eine ganze Schiffsladung Helles aus Baldurs Tor eingetroffen.«
»Großartig«, erwiderte Drizzt und ging mit Bruenor davon.
»Seit wann bist du ein Plappermaul, Elf?«
Drizzt zuckte nur mit den Schultern.
»Vielleicht hat er sich den Namen gemerkt.«
Wieder zuckte der Elf mit den Schultern. »Wenn Jarlaxle uns sucht – warum sollen wir es ihm schwer machen?«
»Und wenn nicht er nach uns sucht?«
»Dann hätten wir nie erfahren, dass ein Drow unser Lager geplündert hat, und hätten nie eine Spur gefunden, die so offensichtlich hierherführt.«
»Oder die Spur war eine Finte und sollte uns hierherlocken, damit wir uns einbilden, es wäre Jarlaxle.« Bei diesen Worten nickte Bruenor so eifrig, als wäre ihm gerade eine Erleuchtung gekommen.
»In diesem Fall würde ich ebenfalls gern mit Jarlaxle sprechen, denn jeder, der uns so etwas glauben machen will, würde auch ihn irritieren. Und in diesem Fall hätten wir einen ausgezeichneten Verbündeten.«
»Pah!«, schnaubte Bruenor.
»Meines Wissens haben wir hier keine Feinde«, erinnerte ihn der Drow. »Wir sind in aller Offenheit gekommen, denn wir haben nichts zu verbergen und keine bösen Absichten.«
»Du bist also neuerdings ein Freund der Hochkapitäne?«
»Falls es noch welche gibt, würde ich jeden töten, der mir vors Messer läuft – jedenfalls wenn sie denen gleichen, die damals unseren Kapitän Deudermont erledigt haben«, erklärte Drizzt.
»Das hören sie sicher gern.«
»Ich werde es ihnen nicht auf die Nase binden.«
»Ein Zwerg und ein Drow, genau wonach du gefragt hast«, teilte der Torwächter der bezaubernden Frau mit, die ihm aufgetragen hatte, genau danach Ausschau zu halten.
Die Frau, eine Ashmadai aus Dahlias Bande, nickte. »Heute?«
»Vor nicht einmal einer Stunde.«
»Bist du sicher?«
»Ein Zwerg und ein Drow«, wiederholte der Wächter ergeben. Wer konnte sich da irren?
Die Frau leckte sich die Lippen und zog einen kleinen Beutel heraus, drehte sich beim Öffnen jedoch um, damit der Wächter nicht hineinsehen konnte. Dann warf sie ihm zwei Goldstücke zu.
»Wo sind sie langgegangen?«
Der Mann zuckte
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