Niewinter 01 - Gauntlgrym
absurd ihre Hoffnungen waren und wie sehr sie sich in völlig unwahrscheinliche Phantasien hineingesteigert hatte.
Sie stürmte auf die von Unrat übersäte Straße zurück, lief ins Gasthaus und direkt in ihr Zimmer, wo ihr schließlich der Gedanke kam, dass sie wohl eher einem Spion von Sylora begegnet war.
Die Hexe aus Tay würde sie immer wieder auf die Probe stellen und ihr niemals trauen, und wehe Dahlia, wenn Sylora je feststellen sollte, dass sie nicht absolut loyal war.
Wann immer Drizzt und Bruenor sich Luskan aus dieser Richtung näherten, machten sie unweigerlich auf demselben Berg im Süden des Südtors Halt, um den Blick auf den Hafen zu genießen. Andere Hafenstädte wie Tiefwasser oder Calimhafen hatten deutlich größere Anleger, mehr Werften und auch immer mehr Schiffe an der Mole, aber nirgendwo sonst gab es eine solche Vielfalt an Segelbooten wie in der Stadt der Segel. Hier traf sich der Abschaum der Schwertküste, Piraten, Schmuggler und allenfalls die wagemutigsten Kaufleute: Schurken, die ihre Boote mit allem Möglichen ausstaffierten, von Segeln aus besticktem Tuch bis hin zu einem Katapult, das eigentlich wohl einmal für einen Festungsturm gedacht gewesen und nun auf dem Achterdeck befestigt war.
In den flacheren Hafenbecken schaukelten lange Kajaks, deren Paddel senkrecht aufgestellt waren. An der zweiten Reihe Anleger bestimmten Einmaster und Karavellen mit ihren quadratischen Segeln das Bild, und viele weitere lagen weiter draußen vor Anker. In der Nähe der äußersten Hafenmauern waren drei große, breite Dreimaster festgemacht.
Die Stadt der Segel, in der Tat, auch wenn Drizzt auffiel, dass trotz der vielen Schiffe weniger los war als früher.
»Unser Freund sollte aber wirklich hier sein.« Bruenors Maulen machte dem Moment abrupt ein Ende. »Und er sollte meine Karten haben. Jede einzelne, und glaub bloß nicht, dass ich es nicht merke, wenn eine fehlt.«
»Das werden wir noch früh genug erfahren«, versprach Drizzt.
»Wir werden es gleich erfahren«, grollte Bruenor.
»Morgen gehen wir zu Jarlaxle«, sagte Drizzt und schlug den Weg zur Stadt ein. »Es ist schon spät. Komm, wir suchen uns ein Zimmer und erholen uns von der Reise.«
Bruenor wollte Einwände erheben, brach aber von selbst ab, um Drizzt einen wissenden Blick zuzuwerfen. »Ins Entermesser?«, fragte der Zwerg geradezu ehrfürchtig, denn mit diesem Lokal waren besonders für Drizzt viele Erinnerungen verknüpft.
Im Entermesser hatten Drizzt und Wulfgar einst Kapitän Deudermont von der Seekobold kennen gelernt, einem der sagenumwobensten Schiffe, die je in Luskan vor Anker gegangen waren. Ins Entermesser hatte der gebrochene Wulfgar sich geflüchtet, als er nach seiner Rückkehr aus dem Abgrund in einem Sumpf aus Selbstmitleid und Alkohol versank. Delly Curtie, die eine Zeitlang Wulfgars Frau – und damit Bruenors Schwiegertochter – gewesen war, hatte dort als Kellnerin für den gutmütigen, immer genau informierten Wirt gearbeitet.
»Arumn Gardpeck.« Jetzt fiel Bruenor der Name wieder ein.
»Ein guter Mann mit einem guten Wirtshaus«, sagte Drizzt. »Ja, wenn die Reichen vor der Zeit der Piraten nach Luskan kamen, sind sie in den nobleren Häusern oben in den Bergen abgestiegen. Dabei wären sie bei Arumn Gardpeck viel besser untergekommen.«
»Ohne jeden Zweifel«, bestätigte Bruenor. »Und wer war noch dieser kleine Dürre, der mit dem Rattengesicht? Der meinem Jungen den Hammer geraubt hat?«
Drizzt konnte sich gut daran erinnern, wie der Übeltäter an Arumns Theke auf einem Hocker gesessen hatte. Er war immer dort gewesen, hatte sich immer unterhalten, und er hatte einen ungewöhnlichen Namen gehabt, wie Drizzt noch wusste, einen komischen.
Aber es wollte dem Drow nicht einfallen. Er schüttelte nur den Kopf.
»Ich habe gehört, dass das Haus noch in Familienbesitz sein soll«, sagte Bruenor. »Wie hieß das Mädchen doch gleich? Shibanni?«
Drizzt nickte. »Shivanni Gardpeck. Angeblich eine Urururgroßnichte von Arumn.«
»Ob das stimmt?«
Drizzt zuckte mit den Schultern. Für ihn kam es nur darauf an, dass es das Entermesser noch gab. Ob Shivanni mit Arumn Gardpeck verwandt war, spielte keine Rolle. Wenn nicht, war sie zumindest aus dem gleichen Holz geschnitzt, und wenn doch, wäre der dicke Arumn froh gewesen, es zu wissen und sie jetzt zu sehen.
Die beiden gingen durch das offene Tor, wo sie viele Blicke auf sich zogen. Auf den Mauern waren nur wenige Soldaten zu sehen, auf den
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