Niewinter 01 - Gauntlgrym

genau zu zielen.
    Als er feuerte, erhellte ein Blitz den Raum. Der Zauberpfeil traf, verbrannte erst das Papier und bohrte sich dann durch die bleierne Schutzschicht und direkt in das Schloss dahinter, das damit für immer zerstört war. Dieses Risiko hatten der Drow und der Zwerg gekannt. Hatte Drizzt die Geheimtür dabei womöglich auf ewig versiegelt?
    Irgendwo hinter der Wand verschoben sich Steine, doch sie wussten nicht, ob dieses Geräusch vielversprechend war oder ihr Verhängnis ankündigte.
    Dann aber ächzte der Stein vor ihnen, weil die Gegengewichte einen unsichtbaren Mechanismus in Gang gesetzt hatten. Der Riegel fiel ein wenig nach innen, und nun zeichnete sich eine zwergengroße Tür in der Wand ab. Staub rieselte nach allen Seiten, und ein alter, muffiger Geruch stieg ihnen in die Nase. Unter stöhnendem Protest glitt die Geheimtür zur Seite und verschwand rechts in der Wand.
    »Woher wusstest du das?«, hauchte Dahlia.
    »Verdammt schlau, dieser Thron, hm?«, kicherte Athrogate.
    »Vorwärts, schnell«, sagte Jarlaxle.
    Drizzt wollte als Erster eintreten, aber Bruenor hielt den Drow mit starkem Arm zurück.
    Dann stieg der Zwergenkönig in den etwas tieferen, ewig nicht benutzten Gang. Er entpuppte sich als kurzer Tunnel, der zu einer steilen Wendeltreppe führte.
    Als Letzter kam Athrogate, der die schwere Steintür wieder hinter ihnen zuschob.
    Es ging weiter in die Tiefe, und Bruenor schlug auf der steinernen Treppe ein schnelles Tempo an. Er hatte keine Angst vor einem Sturz, denn er wusste, was kommen würde.
    Die Treppe mündete in einen schmalen Gang, der in einer größeren, orange leuchtenden Höhle endete: der Schmiede von Gauntlgrym.
    Bruenor hielt abrupt an und riss die Augen auf. Auch sein Mund stand weit offen. »Siehst du das, Elf?«, brachte er heraus.
    »Ich sehe es, Bruenor«, antwortete Drizzt gedämpft und mit Ehrfurcht in der Stimme.
    Man musste kein Zwerg der Delzoun sein, um die einzigartige Bedeutung dieses Orts zu begreifen. Wie von einer unsichtbaren Macht geleitet, ging Bruenor auf die große Schmiede in der Mitte zu und schien dabei bei jedem Schritt zu wachsen, weil uralte Magie seinen sterblichen Körper anschwellen ließ und stärkte.
    Unmittelbar vor der Esse blieb er stehen und starrte in das lodernde Feuer, das seit der Freilassung des Urelementar zu vollem Leben erwacht war. Die Hitze ließ sein Gesicht rasch rot werden, doch das machte ihm nichts aus.
    Er blieb lange, lange dort stehen.
    »Bruenor?«, wagte Drizzt nach einer Weile zu fragen. »Bruenor, wir müssen uns beeilen.«
    Wenn der Zwerg ihn hörte, zeigte er es nicht.
    Drizzt trat vor seinen Freund, um seinen Blick einzufangen, doch der Zwerg hatte die Augen geschlossen. Als er sie schließlich wieder öffnete, fühlte er sich immer noch weit entfernt und nahm Drizzt und die anderen kaum wahr.
    Er hob die Axt und trat auf die offene Schmiede zu.
    »Bruenor?«
    Er zog den Schild vom Arm und legte ihn auf den schmalen Absatz vor dem Feuer. Dann legte er die Axt darauf.
    »Bruenor?«
    Ohne jedes Werkzeug ergriff der Zwerg den eisenbeschlagenen Rand seines Schilds und schob ihn in die Esse. Dabei stimmte er Worte an, die keiner seiner Begleiter verstand, weil nicht einmal Bruenor selbst diese Sprache verstand.
    »Bruenor!«
    Alle erwarteten, dass der Schild in Flammen aufgehen würde, weil er weitgehend aus Holz bestand. Doch so war es nicht.
    Bruenor sprach weiter und griff dann erneut nach dem Rand seines Schilds.
    »Bruenor!« Drizzt eilte vor, um den Zwerg wegzustoßen. Aber der Drow hätte auch versuchen können, die Schmiede selbst zu verschieben. Er traf Bruenor mit seinem ganzen Gewicht am Arm, konnte aber nicht einmal diesen bewegen. Und der Zwerg registrierte den Aufprall kaum. Er zog einfach nur den Schild und mit diesem seine bewährte, schartige Axt heraus.
    Beides kühlte er nicht in Wasser ab, sondern nahm sie einfach zur Hand, schlang den Schild wieder um seinen Arm und hielt seine Axt kampfbereit. Dann trat er zurück und drehte sich zu den anderen um. Kopfschüttelnd kam er aus seiner Trance.
    »Wieso sind deine Arme nicht voller Brandblasen?«, staunte Dahlia. »Wieso schält sich nicht die Haut von deinen Fingern?«
    »Was …?«, erwiderte der Zwerg. »Was redest du da?«
    »Der Schild«, bemerkte Jarlaxle. Athrogate begann zu kichern.
    »Was?«, fragte Bruenor wieder und warf einen Blick auf seinen Schild.
    Das Holz war unversehrt, wenn auch vielleicht etwas dunkler, weil es vom Feuer