Niewinter 01 - Gauntlgrym
hatte keine Ahnung, was diese überraschenden Informationen zu bedeuten hatten. Sie und Dor’crae sollten in Luskan herausfinden, ob der zerstörte Hauptturm mit den Erdbeben zu tun hatte, unter denen die nördliche Schwertküste seit seinem Fall zu leiden hatte. Angeblich waren beim Einsturz des Hauptturms magische Schutzrunen explodiert, die offenbar nicht nur Luskan, sondern auch das bewaldete Bergland der Felsspitzen beeinflusst hatten.
Sie schickte sich an, der seltsamen »Wurzel« nach Südosten zu folgen.
»Was hast du noch in Erfahrung gebracht?«, fragte die Kriegerin.
»Komm, ich bringe dich zu Valindra. Sie ist ein Lich, und bei ihr ist ein noch älteres, noch mächtigeres Wesen. Jedenfalls war er mächtiger, ehe er bei der Zauberpest den Verstand verlor.«
Er wollte gehen, doch Dahlia blieb zurück. Sie überlegte, was sie von der jüngeren Geschichte Luskans wusste, mit der sie sich vor ihrem Aufbruch aus Tay intensiv beschäftigt hatte.
»Arklem Greeth?«, fragte sie. Sie dachte an den Lich, der einst im Namen der Arkanen Bruderschaft den Hauptturm beherrscht hatte und bei dessen Zerstörung besiegt worden war. Besiegt, aber wahrscheinlich nicht umgekommen, wie sie wusste, denn immerhin war er ein Lich.
Dor’craes Grinsen war Bestätigung genug.
»Ein gefährlicher Gegner«, warnte Dahlia. »Selbst mit dem Schutz von Szass Tams Brosche.«
Der Vampir schüttelte den Kopf. »Früher vielleicht, aber jetzt nicht mehr. Dafür hat der Drow gesorgt.«
Bald darauf und etliche Räume und Gänge weiter erreichte das Paar einen eigentümlichen Ort.
»Was ist das?«, fragte Dahlia. Das Zimmer erinnerte sie mehr an den Salon eines edlen Gasthauses als an einen unterirdischen Raum inmitten eines Gewirrs feuchtkalter Höhlen. An den Wänden hingen bunte Wandteppiche, und dazwischen standen kunstvoll verarbeitete, hochwertige Möbel, einschließlich eines Schminktischs mit Marmorplatte und einem hohen, vergoldeten Spiegel darauf.
»Das ist mein Zuhause«, erklärte eine Frau, die auf einem zierlichen Stuhl vor dem Schminktisch saß. Als sie sich umdrehte und ihren Besuchern zulächelte, musste Dahlia sich beherrschen, um nicht zusammenzuzucken. Früher war die Frau sicher schön gewesen, mit langem, glänzend schwarzem Haar und einem zarten Gesicht, auch wenn die Farbe ihrer Augen längst durch die roten Punkte ersetzt war, die vom unnatürlichen inneren Feuer des Lichs kündeten. Ihr Lächeln jedoch war grauenvoll, denn das Zahnfleisch war längst abgefault, so dass die Zähne viel zu groß wirkten und ihre bleiche Haut beim Lächeln zum Zerreißen gespannt war.
»Gefällt es euch nicht?«, erkundigte sie sich mit zuckersüßer Stimme, die an ein verspieltes Mädchen erinnerte.
»Oh, doch, Valindra! Selbstverständlich!«, sagte Dor’crae mit übertriebener Begeisterung, bevor Dahlia auch nur zu Wort kam. Die Kriegerin blickte von ihrem Begleiter zu dem Lich.
»Du bist Valindra Schattenmantel?«, fragte sie.
»Ja, natürlich, wer sonst?«, antwortete Valindra.
»Ich habe schon so viel von dir gehört«, log Dahlia, was Dor’crae mit einem anerkennenden Händedruck belohnte. »Aber all diese Geschichten werden deiner wahren Schönheit nicht gerecht.«
Dabei verbeugte sich die Elfe, und Valindra kicherte geschmeichelt.
»Wo ist denn dein Mann, meine Liebe?«, erkundigte sich Dor’crae. Als Valindra scheinbar suchend herumfuhr, nickte Dor’crae zu einem Schränkchen mit Glastür, wo ein außergewöhnlicher, faustgroßer Edelstein in Form eines Schädels ruhte.
Als sie alle einen Blick auf das Phylakterion warfen, leuchteten die Augen des Schädels kurz glühend rot auf, um dann wieder matter zu werden.
»Greeth steckt da drin?«, vergewisserte sich Dahlia leise.
»Was von ihm übrig ist«, bestätigte der Vampir. Er lenkte Dahlias Blick auf einen zweiten Edelstein in Schädelform, in dessen rauchfarbigem Inneren kein Leben flackerte.
»Valindras Phylakterion«, erklärte Dor’crae.
Dahlia berührte die Brosche an ihrer Weste, während sie über die Edelsteingefäße nachdachte. Mutig ging sie zu dem Schränkchen hinüber. Als sie sah, dass Valindra noch immer blöde lächelte, wagte sie, die Tür zu öffnen. Dahlia warf Dor’crae einen Blick zu, der aber nur überfragt die Hände hob.
»Ein wunderbarer Stein«, sagte Dahlia zu Valindra.
»Er gehört meinem Mann«, antwortete der Lich.
»Darf ich ihn einmal hochnehmen?«
»Oh, natürlich, gern!«, sagte Valindra.
Dahlia wusste nicht
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