Niewinter 4: Die letzte Grenze
verläuft«, erwiderte Jarlaxle. Sein Seitenblick auf die Xorlarrins verriet, dass Saribel bei dieser überraschenden Bemerkung etwas ins Wanken geriet.
»Ihr würdet gut daran tun, aus dem Weg zu gehen und aus dem Weg zu bleiben«, drohte Tiago. »Ich habe bereits zu viel von Jarlaxle gesehen.«
»Vielleicht habe ich das Gefühl, es Oberin Quenthel schuldig zu sein, ihren fehlgeleiteten Krieger zu warnen, bevor er sich in eine Dunkelheit begibt, die er nicht durchschaut«, konterte Jarlaxle trocken.
»Ihr seid es ihr schuldig?«, fragte Tiago ungläubig. »Haus Baenre?«
»Unser bester Kunde.«
»Mehr nicht, Jarlaxle?«, fragte Tiago, um anzudeuten, dass er mehr wusste, als er preisgab. Sein plötzlicher Vorstoß ließ Jarlaxle tatsächlich aufhorchen. »Ist das Euer einziges Interesse an Haus Baenre, Söldner ohne Haus?«
Über diese Wortwahl des listigen jungen Baenre dachte Jarlaxle lange nach. Tiago wusste über ihn Bescheid? Wer mochte noch davon wissen? Selbst vor dem Großteil seiner Familie hatte er seine Herkunft stets geheim gehalten. Soweit Jarlaxle wusste, kannten nur Gromph – einer der wenigen Drow, die älter waren als Jarlaxle – und die Oberin selbst das Geheimnis seiner Abstammung. Und natürlich Kimmuriel.
Aber Tiagos überlegenes Gehabe war nicht gespielt. Es beruhte offenkundig auf einem Wissen, das Tiago nicht zustand.
»Seid vorsichtig«, sagte Jarlaxle, verbeugte sich und verschwand. Sein Abgang war abrupt, denn plötzlich konnte er diesen dreisten jungen Emporkömmling und seine mächtigen Freunde nicht schnell genug hinter sich lassen. Selten war Jarlaxle in einer derart nachteiligen Position gewesen.
Er kehrte eilends nach Luskan zurück, wo er Beniago aufsuchte.
Aber Beniago hatte auch keine Antwort für ihn. Noch immer gab es keine Spur von Drizzt und dessen fünf Gefährten. Die Gruppe hatte die Elritze verlassen, als diese angelegt hatte, und zwar vollständig. Beniago hatte sie bis zu einem bestimmten Wirtshaus verfolgt, bis zu einem Raum, den sie für eine private Unterredung gemietet hatten.
Danach gab es nichts mehr. Es war, als hätten sie sich in Luft aufgelöst.
Der alte Drow-Söldner, der sich plötzlich wirklich alt vorkam, konnte nur resigniert aufseufzen. Das war eine jener seltenen Situationen, in denen nicht einmal Jarlaxle die Ereignisse kontrollieren konnte.
Angesichts von Tiago Baenre und seinem Jagdtrupp, der Nesser-Fürsten und des mysteriösen Verschwindens von Drizzt und seinen Freunden drehten sich hier für seinen Geschmack zu viele Rädchen in zu viele verschiedene Richtungen.
Kapitel 20
Die Menagerie
Die Augenblicke wurden zu Stunden, die Stunden zu Tagen. Drizzt und Effron konnten nirgendwohin. Mit Hilfe ihres Gepäcks richteten sie es sich in der engen Zelle ein, deren Seiten nur so lang waren wie ein großgewachsener Mann.
Sie hatten Nahrung und Wasser für mehrere Tage dabei, aber da sie nicht hinter die magischen Gitterstäbe gelangen konnten, begann es bald, nach Unrat zu stinken. Doch das verblasste irgendwann ebenso vor der Monotonie wie das leise Summen der Blitzenergie in den Gittern.
Nach einer unruhigen Nacht oder vielleicht auch einem Tag sah Effron beim Erwachen, wie Drizzt die Stäbe inspizierte. Mit Eistod in der Hand betrachtete Drizzt die Stellen, wo die Gitterstäbe in die Decke und den Boden ihres Käfigs übergingen, und wagte sogar, an einer davon herumzustochern.
Der Schock warf ihn nach hinten, wo er an das Gitter gegenüber prallte, das ihn unter wütendem Funkensprühen zur Seite schleuderte. Als Drizzt auf dem Boden sitzen blieb, standen seine aufgeladenen weißen Haare nach allen Seiten ab. Er atmete einige Male tief durch, um sich zu fangen.
»Nicht besonders schlau«, sagte Effron. »Aber immerhin unterhaltsam.«
»Es muss einen Ausweg geben.«
»Muss es?«, fragte der Tiefling. »In Sachen Gefangenschaft ist Draygo Quick ein Meister, das kann ich dir versichern. Seine Menagerie ist sehr umfangreich. Ich habe noch nie gehört, dass ihm etwas oder jemand entwischen konnte, einschließlich deines wundersamen Panthers.«
»Wir sind nicht künstlich erstarrt«, erwiderte Drizzt. »Gibst du so leicht auf?«
Bei dieser Bemerkung kniff Effron wütend die Augen zusammen. »Du weißt gar nichts über mich«, sagte er leise. »Wenn ich leicht aufgeben würde, hätte ich das getan, als ich erfuhr, wer ich bin – und was ich bin! Weißt du, wie es ist, ein Ausgestoßener zu sein, Drizzt Do’Urden? Weißt du, wie
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