Niewinter 4: Die letzte Grenze
hob beide Hände, um zu zeigen, dass er keine Ahnung hatte, wovon die Rede war, was auch stimmte. »Ich erhielt den Auftrag, hierherzukommen und Euch zu begrüßen, und hier bin ich.«
»Es waren schon einmal drei hier, die behaupteten, zu Bregan D’aerthe zu gehören, darunter eine Darthiir , die sich als Eure Geliebte ausgab.« Ravel benutzte das Drow-Wort für die Elfen der Oberfläche.
»Wirklich?« Jarlaxle legte einen Finger an die Lippen. »War sie hübsch?«
»Darthiir!«, fluchte Tiago. »Das ist ekelhaft.«
Jarlaxle lachte laut auf. »Das wäre nicht unbedingt meine Wortwahl, aber einem engstirnigen Geist, der wenig aus Menzoberranzan herausgekommen ist, mag das so erscheinen.«
»Erspart mir Eure Herablassung«, sagte Tiago.
»Herablassung?«, wiederholte Jarlaxle mit gespielter Unschuld. »Wohl doch eher Erleichterung. Da so viele der Meinen Eure Ansicht bezüglich der Nicht-Drow teilen, bleiben derartige Genüsse weitgehend mir allein vorbehalten.«
»Sie kam mit einem Drow und einem Menschen, ein kleiner Mann mit grauer Haut«, warf Ravel ein.
»Dieser Mensch war schon einmal mit Euch in Menzoberranzan, behauptete Berellip Xorlarrin«, ergänzte Jearth.
Jarlaxle bemühte sich ziemlich erfolglos, seine Überraschung zu verbergen. Selbst wenn es ihm gelungen wäre, hätte Athrogates Aufkeuchen alles verraten.
»Ihr kennt diesen Menschen also«, stellte Tiago fest.
»Wenn es der ist, den Ihr beschreibt, müsste er längst tot sein«, sagte Jarlaxle. »Habt Ihr Euch den Namen gemerkt? Einen ihrer Namen?«, fragte er, obwohl er die Antwort bereits kannte. Aber wieso Artemis Entreri – wenn er es tatsächlich gewesen war – wieder mit Drizzt und Dahlia unterwegs war, war ihm schleierhaft.
»Masoj Oblodra«, antwortete Tiago.
»Oblodra?«
»Der Drow«, erklärte der junge Baenre. »Meines Wissens ein Angehöriger von Kimmuriel. Diesen Namen nannte er uns zumindest.«
Wie er dies sagte, verriet Jarlaxle genauso viel wie die Worte selbst. Masoj war nämlich jener Zauberer gewesen, dem Drizzt einst Guenhwyvar abgenommen hatte, allerdings hatte er definitiv nicht zum Haus Oblodra gehört. Jetzt war Jarlaxle sich sicher, dass diese Narren Drizzt begegnet waren, ohne dies auch nur zu bemerken.
Tiagos Großvater, den Drizzt getötet hatte, stöhnte in den Dämonennetzhöllen vermutlich gerade erschüttert auf.
»Die Namen der anderen beiden waren für uns wertlos«, fügte Tiago hinzu.
»Waren sie nun von Bregan D’aerthe oder nicht?«, hakte Ravel nach.
»Wer weiß?« Jarlaxle nutzte ein Quäntchen Magie aus seiner Augenklappe, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. »Wir haben viele unabhängige Agenten im Bereich der Schwertküste. Es ist durchaus möglich, dass der eine oder andere …«
»Wenn sie wirklich Eure Bettgefährtin wäre, wie sie behauptet hat, würdet Ihr das doch wissen?«, fragte Tiago. Die Schärfe in seiner Stimme verriet, dass Jarlaxle seiner Ansicht nach jetzt in der Falle saß.
»Eine von wie vielen Dutzend?«, entgegnete der gerissene Söldner prompt. »Wie schon gesagt, dass so viele meiner Landsleute körperliche Schönheit leider wenig zu schätzen wissen, eröffnet mir ein umso weiteres Feld lieblicher Blumen. Und da bietet diese Gegend in der Tat große Auswahl.«
Athrogate schnaubte.
»Wo sind die drei, von denen Ihr sprecht?«, fragte Jarlaxle.
»Lange fort«, sagte Jearth. »Genau wie die Nesserer, gegen die sie gekämpft haben.«
»Dann sollten wir zu einem anderen Zeitpunkt darüber sprechen«, befand Jarlaxle. »Meine Zeit ist knapp, und wenn die drei unwichtig sind …«
»Sie haben einen Adligen der Xorlarrin getötet«, unterbrach Tiago.
Jarlaxle nickte und dachte kurz darüber nach, was das bedeutete. »Ich werde Kimmuriel informieren. Wir tun unser Möglichstes, um herauszufinden, wer sie sind und ob tatsächlich eine Verbindung zu unserer bescheidenen Organisation besteht.« Er verbeugte sich erneut und warf dabei Athrogate einen warnenden Blick zu. Ihr Auftrag hier war gerade sehr ernst geworden. »Sollen wir die vorläufige Geschäftsgrundlage hier unter uns besprechen?«, fragte er.
»Es wäre verfrüht, die Dinge jetzt schon festzulegen«, sagte der Zauberspinner. »Aber wir würden Euch gern zeigen, was wir bisher erreicht haben. Vielleicht kann Bregan D’aerthe gewisse Dienste und Dinge bereitstellen, welche die weiteren Verhandlungen begünstigen würden. Beispielsweise Materialien und Tränke.« Er sah Athrogate ins Gesicht.
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