Niewinter 4: Die letzte Grenze
der Gedanke, dass sie ohne ihn auch nicht mitfahren würde.
»Drei Tage?«, fragte Ambergris, die mit Afafrenfere dicht hinter dem Meuchelmörder ging. »Na, dann los! Drei Tage saufen und herumhuren … hoffen wir, dass in Baldurs Tor ein paar hübsche Zwerge herumlaufen!« Sie quiekte vor Vergnügen, und Afafrenfere schüttelte fassungslos den Kopf. »Hehe, ich glaube, vom Schaukeln auf dem Schiff sind meine Beine schon ein bisschen krumm«, fügte Ambergris hinzu und lachte wieder los.
»Na, wer möchte wissen, was in Luskans Hafen so alles herumstrolcht?«, sprach sie jemand von der Seite an und ließ Dahlia aufhorchen. Gegenüber von Drizzt standen zwei Hafenarbeiter; der eine war in mittleren Jahren, der andere schon recht alt und seinem Aussehen und Gehabe nach wohl das halbe Leben zur See gefahren.
Drizzt blieb stehen und musterte die beiden, Dahlia ebenfalls.
»Oh, du doch nicht, Drow«, wehrte der ältere ab. Er sah an Drizzt vorbei und zwinkerte Dahlia zu.
Der andere Mann lehnte einen Schrubber an seine Schulter, hob die Hände, ließ die Finger spielen und sagte: »Mehr Goldmünzen als Finger.«
Dahlia wurde nicht daraus schlau, aber es war ihr auch egal. Sie wollte weiter und zog Drizzt mit sich.
»Ich glaube, das war gerade ein Antrag«, sagte Entreri von hinten, als sie ein Stück weiter waren.
»Dann sollte ich wohl umkehren und ihn küssen«, erwiderte Dahlia, was ihr ungläubige Blicke von ihren vier Begleitern einbrachte. »Danach nehme ich seine Münzen, spalte ihm den Schädel und werfe ihn ins Meer.«
Sie lief munter weiter, als wäre das ein guter Witz – oder auch nicht. Da ihre Gefährten die Elfenkriegerin im Kampf erlebt hatten, hielten sie beides für möglich, und Drizzt zeigte das auch mit einem missbilligenden Blick.
Solche Blicke hatte Dahlia in letzter Zeit viel zu häufig von ihm geerntet, stellte sie fest.
Als sie in der Stadt ankamen, teilten sie sich auf. Dahlia und Drizzt hielten auf die besseren Gasthäuser zu, Ambergris schob Afafrenfere in die schäbigen Spelunken in Hafennähe, und Entreri zog nach einem beiläufigen Nicken auf eigene Faust los. Dahlia sah ihm lange nach, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, welcher Bereich von Baldurs Tor ihm am einladendsten erschien. Die Stadt war relativ klar aufgeteilt in das reiche Kaufmannsviertel, das Handwerkerviertel und das Armenviertel. Dahlia vermutete, dass Entreri den mittleren Bereich aufsuchen würde. Der Weg, den er einschlug, schien das zu bestätigen.
»Nehmen wir ein Zimmer oder zwei?«, fragte sie Drizzt, worauf er sich abrupt zu ihr umdrehte. »Oder einfach Lager im Schlafsaal, damit wir so tun können, als wären wir noch an Bord?«
Drizzt starrte sie ungläubig an.
»Dann hättest du deine Ausrede.«
Er blieb stehen und sah ihr ins Gesicht.
Dahlia holte tief Luft, ehe sie sagte: »Du hast mich seit Zehntagen nicht mehr angerührt. Vielleicht schon seit Monaten.«
»Das ist nicht wahr.«
»Nicht? Abgesehen von unserem ersten Tag auf See.«
Drizzt schluckte und blickte sich um. »Nicht hier«, sagte er, nahm Dahlia am Arm und führte sie zum nächsten Wirtshaus, wo er das beste verfügbare Zimmer mietete.
Nachdem er die Tür zugemacht hatte, schloss er sie leidenschaftlich in die Arme.
Das befriedigte Dahlia einigermaßen, aber sie merkte doch, wie sie sich ihm entzog. Anfangs wusste sie nicht, weshalb, doch bald dämmerte ihr, dass Drizzt diesen Annäherungsversuch eher aus Pflichtgefühl unternahm denn aus Begierde, und wenn es doch Begehren war, dann ging es um das körperliche Bedürfnis, nicht um Gefühle.
Dafür hatte Dahlia zwar normalerweise durchaus etwas übrig, aber momentan hatte sie keine Lust, sich darauf einzulassen.
»Warum?«, fragte sie, als er sie verwirrt ansah – verwirrt, aber nicht verletzt, wie sie rasch erkannte, und falls er enttäuscht war, wusste er auch das gut zu verbergen.
»Was meinst du damit?«, fragte er.
Dahlia schnaubte nur, löste sich von ihm und wandte sich ab, weil sie ihn gerade nicht ansehen mochte. »Du willst mich nur besänftigen.«
»Du hast doch gerade gesagt …«
Sie fuhr herum, verschränkte die Arme vor der Brust und tippte mit der Fußspitze.
Jetzt war Drizzt derjenige, der einen Seufzer ausstieß. Als er zu dem Stuhl an der gegenüberliegenden Wand ging, glich er einem Tavernenkämpfer, der zwischen zwei Runden in seine Ecke zurückkehrt. Er zog den Stuhl vor sich, setzte sich rittlings darauf und lehnte die Ellbogen auf die
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