Nigger Heaven - Roman
Lasca«, protestierte Mary. »Ich fürchte, mit solchen Sachen nicht viel Erfolg zu haben.«
»Jedenfalls gefielen Sie Rannie, und zwar vom ersten Augenblick an, als er Sie in meinem Haus sah. Er schwor, dass Sie genau die Frau wären, nach der er gesucht hat …« Plötzlich sah sie Mary misstrauisch an. »Mögen Sie ihn vielleicht nicht, weil sie irgendetwas über ihn gehört haben?«
»Nein, das ist es nicht. Ich liebe ihn ganz einfach nicht, das ist alles.«
»Das kann ich verstehen. Mir gefällt Ihre Einstellung zur Liebe. Ich könnte auch nicht ohne Liebe heiraten. Das Dumme ist nur, dass mich, wie auch Rannie, die Liebe häufig viel Geld kostet. Die Kerle wissen alle, dass ich im Theater viel Geld gemacht habe, und wenn ich etwas will … Aber alles hat seinen Preis. Nun ja.« Sie seufzte. »Natürlich«, fuhr sie fort, »ist es Rannie egal, ob Sie ihn lieben oder nicht. Er will eine respektable Frau zur Gattin, eine fürs Prestige, damit er etwas mehr mit den richtig feinen Leuten verkehren kann. Er dachte, Sie wären der geeignete Türöffner dafür. Er ist kreuzunglücklich über die ganze Sache.«
»Tut mir leid«, antwortete Mary, »ich bringe es nicht über mich. Ich könnte es einfach nicht tun.«
»Schon gut, Kleine!« Adora schritt auf sie zu, beugte sich über sie und gab ihr einen Kuss. »Wir vergessen es einfach.«
Man hörte, wie die Haustür geöffnet und geschlossen wurde. Kurz danach kamen langsame und unentschlossene Schritte die Treppe herauf, und Alcester Parker schlich sich in den Salon.
»Hallo, Dora, Tag, Mary!« Er sah verlegen aus.
»Wo warst du?«, fragte Adora streng.
»Habe mit Irwin Billard gespielt.«
»Du warst so lange fort«, quengelte Adora. »Ich habe nach dir gesucht, als ich ausging.«
»War doch nur Billard spielen«, wiederholte Al platt.
»Geh nach oben. Ich unterhalte mich jetzt mit Mary.«
Er gehorchte ihr mit stummer Eilfertigkeit.
Als er auf der Treppe verschwunden war, brach Adora in Tränen aus.
»Mein Leben ist nichts als Staub und Asche«, schluchzte sie. »Sie alle behandeln mich wie Dreck. Sie kommen und gehen, und keiner nimmt auf mich Rücksicht, und wenn ein junges, hübsches Ding kommt … Ich verdiene das nicht! Ich behandle sie dann auch wie Dreck, aber das funktioniert nicht. Sie hören mir beim Schimpfen zu, es ist ihnen egal.«
»Sie?«
»Nun, er, ich meine Al«, stotterte Adora. »Nein, er nicht! Nein, nicht er! Er wird mich nie verlassen! Er ist anders als die anderen! Al liebt mich!«
Kapitel 5 Mary fragte sich, was sie wohl daran hinderte, Liebesgefühle zu zeigen? Sie war sich sicher, dass es kein geistiger Dünkel war, aufgrund dessen sie sich distanzierte und abschottete. Hatte es körperliche Ursachen? Es machte ihr Vergnügen, mit jungen Männern ins Theater zu gehen, sie tanzte und unterhielt sich gern mit ihnen, aber irgendetwas in ihr verhinderte intimere Beziehungen. Sie kannte eine Menge alberner, hübscher Jungs – Scheichs nannte man sie in Harlem –, denen die Mädchen nachliefen, Jungs, wegen denen sich verheiratete Frauen stritten, eingebildete, eitle Kerle, die nur an ihre Eroberungen dachten und sich untereinander vermutlich sehr freizügig darüber unterhielten. Die waren ganz bestimmt nichts für sie. Die ernsteren jungen Männer aus ihrem Freundeskreis waren natürlich etwas anderes. Howard war zum Beispiel nach ihrem Geschmack, aber es war ihr klar, dass eine Heirat mit ihm überhaupt nicht in Frage kam. Howard gehörte zu Ollie, und die anderen hatten ihr tatsächlich nie einen Antrag gemacht. Etwas an ihr hielt die Männer, wie sie allmählich glaubte, davon ab.
Sie glaubte an ihre Rasse, hegte Liebe für deren Menschen und war zutiefst von deren Entwicklungsmöglichkeiten überzeugt. Sie bewunderte die charakteristischen Eigenschaften, die schwarzen Menschen zugeschrieben werden, und wünschte sich sehr, sie selbst zu besitzen. Aber viele davon fehlten ihr, wenn auch ohne ihre Schuld. War es ihr Schicksal, eine verbitterte, alte Jungfer zu werden wie Hester Albright? Aber selbst Hester spürte, wenn auch unbewusst, ihre Wurzeln. Sie hatte an jenem Abend Hester im Zauberbann der schwarzen Musik erlebt. Bei vielen anderen Gelegenheiten hatte sie dieses Phänomen ebenfalls beobachtet! Wie oft hatte sie gesehen, wie ihre Freunde uninteressiert oder angestrengt oder mit gekünstelter Aufmerksamkeit fremder Musik lauschten, die nicht unvermittelt zur schwarzen Seele sprach, ein Schubert oder ein Schumann, um
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