Night Academy 2
Ausbildungsprogramme, denn sie können sich nirgends dauerhaft niederlassen. Dafür sorgen wir schon. Außerdem verfügen sie weder über unsere Traditionen noch über unsere Bibliotheken. Wir haben Jahrzehnte darauf verwandt, unsere Lehrmethode genau auf die Begabungen abzustimmen, während sie nur improvisieren. In den Trainingszellen werden die Begabten wahrscheinlich auf die Probe gestellt. Die Mitglieder schikanieren unsere Schüler, richten hier und da Verwüstungen in der Umgebung an und probieren ihre Fähigkeiten aus. Sie achten aber darauf, nicht allzu großes Aufsehen erregen, um nicht von den Wächtern ausgeschaltet zu werden. Gelingt ihnen das, bekommen sie Zugang zu Gregoris engerem Kreis und werden von seinen besten Leuten ausgebildet.«
Je mehr ich erfuhr, desto mehr Fragen schossen mir durch den Kopf, doch Cam wurde immer blasser – er musste starke Schmerzen haben und brauchte Ruhe. Eine letzte Frage jedoch konnte ich mir nicht verkneifen, denn ich sah die ganze Zeit Jack vor mir. »Wann ist eine Zelle so gefährlich, dass sie ausgeschaltet wird?«
Cam beugte sich vor und stützte die Hände auf die Knie. Vorsichtig erhob er sich, wobei er vornübergebeugt blieb, wie Oma, wenn sie morgens aufstand. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.
Ich sprang auf und hielt ihm die Hand hin, um ihn zu stützen. Doch er nahm sie nicht. »Du solltest dich wieder hinsetzen«, sagte ich. »Du kannst noch nicht aufstehen.«
»Wir müssen zurück. Die Tore schließen um elf.«
»Aber für dich würden sie doch sicher noch mal aufmachen!«
Er gab mir recht, indem er unmerklich nickte. »Trotzdem sollten wir nach Hause. Ich habe deiner Oma versprochen, dass ich dich vor elf zurückbringe.«
»Du hast nur keine Lust mehr zu reden«, sagte ich.
»Ich muss Mr Judan Bericht erstatten.« Mit einem lauten Seufzer richtete er sich auf. »Außerdem bin ich müde. Hab keine Lust, die ganze Nacht zu bleiben.«
»Wird Mr Judan sauer sein, dass ich jetzt alles weiß?«
»Ist ein bisschen spät, sich jetzt darüber Sorgen zu machen.« Cam stützte sich auf meine Schulter und trat einen Schritt auf mich zu, er war aschfahl im Gesicht.
»Ist das wirklich alles?«, fragte ich. »Oder gibt es noch mehr, was du mir nicht sagen willst?«
Er legte mir seine warmen, starken Hände um die Taille und zog mich an sich. Dann strich er mir sanft übers Gesicht und schüttelte verwundert den Kopf. »Du gibst wohl niemals auf!«
Wie immer brachte mich Cams Berührung vollkommen aus der Fassung. Ich versuchte an den Gedanken festzuhalten, die mir vor ein paar Sekunden noch lebenswichtig erschienen waren, doch in seinen Armen wurden sie nun vollkommen belanglos.
Worte kamen mir nur noch in Zeitlupe über die Lippen. »Ist das schlecht?«
»Nein«, flüsterte er, und sein warmer Atem strich mir über die Haut, als er mich sanft auf den Hals küsste. »So bist du eben.«
Mit dem Kuss hatte er mich überrumpelt. Ich stand ganz reglos und kostete den Moment aus.
Dann küsste er mich wieder.
Ich vergaß alles über die Irin, wusste kaum noch, wie ich hieß. Nichts spielte mehr eine Rolle, solange seine Lippen mich liebkosten. Er küsste mich, und ich schlang die Arme um seinen Hals. Mit puddingweichen Knien strich ich ihm übers Haar.
»Das war wohl nicht gerade der beste Valentinstag«, sagte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Das war der beste Valentinstag von allen.«
Er neigte den Kopf, um mich abermals zu küssen. Sehr lang und sehr innig. Ich hielt mich an seinen Schultern fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
»Ähm.«
Schuldbewusst fuhren wir auseinander. Anna und ihre Mom standen im Türrahmen. Anna hustete gekünstelt, sie ließ sich nichts anmerken und gab sich lediglich amüsiert.
Cam lachte. »Sorry. Wir haben uns nur verabschiedet.«
Daraufhin lachte Annas Mom ebenfalls. »Da fängst du aber früh an, denn schließlich bringst du sie ja noch nach Hause.« Sie deutete aufs Treppenhaus. »Ich sehe mal nach David und den anderen. Anna, du behältst die beiden hier im Auge.«
Annas Wut war deutlich spürbar, doch sie verzog keine Miene. »Verlass dich drauf, Mom.«
Zu meinem Entsetzen war Oma noch wach, als Cam mich zu Hause absetzte. Sie war bettfertig, das heißt, sie trug einen fadenscheinigen Frotteebademantel, darunter ein weißes, beschämend kurzes Nachthemd, und um die Lockenwickler hatte sie einen weißen Chiffonschal geschlungen.
Äußerst attraktiv.
Zum Glück hatte sie sich wenigstens
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