NIGHT SHOW - Thriller (German Edition)
wenn man sie als Brecheisen einsetzte. Ihr Vater würde sofort bemerken, dass jemand sie benutzt hatte. Linda zog den Lauf wieder heraus. Sie steckte die Smith & Wesson zurück in ihre Hose und war froh über die Rückkehr des harten, schweren Drucks gegen ihre Haut.
Als sie die Veranda verließ, ertappte sie sich einen Augenblick lang bei dem Gedanken, sie würde keinen Weg in das Gebäude hinein finden.
Aber nein, sie musste.
Um es in Brand zu setzen.
Um die Treppe in Flammen aufgehen zu lassen.
Sie lief seitlich am Haus entlang und blieb dabei ganz dicht an der Mauer.
Die Treppe abfackeln. Die Flammen sollten ihn dort oben einkesseln, falls er immer noch auf Beute lauerte. Sein abscheuliches Fleisch entstellen, bis seine Haut Blasen schlug und aufbrach und seine Augäpfel in ihren Höhlen brodelten.
Linda rannte die drei Stufen zur Hintertür hinauf. Dort fand sie kein Vorhängeschloss vor. Das viergeteilte Sprossenfenster schimmerte im Mondlicht. Sie stieß die Mündung des Revolvers durch die untere rechte Scheibe. Als sie durch das Loch griff und innen nach dem Griff tasten wollte, drückte sie die Tür versehentlich mit der Hüfte auf.
Überhaupt nicht abgesperrt! Nicht einmal fest verschlossen!
Sie zog den Arm zurück, schob die Tür weit auf und trat in die Küche. Glasscherben knirschten unter ihren Schuhen. Sie hielt inne und lauschte, dann begriff sie, dass er vielleicht das Zerspringen der Scheibe gehört hatte und sich womöglich in dieser Sekunde mit seinen steifen Knochen aufrichtete, um nach der Axt zu greifen.
Linda durchquerte die leere Küche und gelangte in einen Flur, so frostig und schwarz wie eine Höhle. Dabei lauschte sie angespannt auf ein Geräusch von oben. Zu ihrer Linken tauchte die Treppe auf. Sie spähte zwischen den Stäben des Geländers hinauf. Niemand zu sehen. Sie trat um den Treppenpfosten herum und starrte in die Finsternis am oberen Absatz, wo einst die bleiche, reglose Fratze aufgetaucht war.
Linda öffnete den Verschluss des Milchkartons. Sie hielt die Luft an, um die Dämpfe nicht einzuatmen, und begann, das Benzin auf den unteren Stufen zu verteilen.
Irgendwo über ihr knarrte ein Bodenbrett.
Das leise Geräusch ließ ihr den Atem stocken. Betäubt vor Angst schaute sie auf.
Eine undeutliche Silhouette schien sich aus dem oberen Treppenpfosten in die Höhe zu schrauben.
Ein Gesicht.
Linda presste die Zähne fest zusammen, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Wild schwenkte sie den Milchkarton und ließ die Flüssigkeit auf die Stufen spritzen.
Das Wort »Nein!« trieb wie ein Stöhnen zu ihr herunter. Dann wand sich die bleiche Gestalt um den Treppenpfosten herum. Linda schleuderte den leeren Milchkarton zu Boden. Hastig fasste sie in die Hemdtasche und fand dort das Streichholzbriefchen. Sie riss eines der Stäbchen ab. Der Mann war schon halb die Stufen heruntergelaufen, als es nach dem Kontakt mit der Reibefläche zischend zum Leben erwachte. Linda setzte damit die weiteren Zündköpfe in Brand und warf sie in Richtung der Treppe.
Das Benzin entzündete sich mit einem Wusch! wie eine Fahne, die von einer plötzlichen Bö erfasste wurde. Die Flammen leckten über den nackten Körper des Mannes. Schreiend schirmte er das Gesicht ab und taumelte rückwärts, zuckte, schlug hin und krabbelte brüllend die Stufen hinauf, wobei er versuchte, das brennende Haar mit den Händen zu löschen. Anschließend verschwand er im Gang, und ein weiterer Schrei vermischte sich mit seinem: das hohe, durchdringende Kreischen einer Frau.
Verwirrung machte sich in ihr breit. Sie wusste nur, dass sie nach draußen musste. Sie hielt sich die Ohren zu, um das Gebrüll von oben auszusperren, raste den Flur zur Küche entlang und ins Freie.
Sie befand sich einen Straßenblock entfernt, als die Sirenen aufheulten, um die Feuerwehrmänner aus dem Schlaf zu reißen. Linda huschte in eine nahe gelegene Gasse hinein. Der Gedanke an die verlotterte Gestalt mit dem Einkaufswagen ängstigte sie nicht länger. Ihre größte Angst war besiegt. Sie hatte das Freeman-Haus in Brand gesteckt und das nackte Schreckgespenst angezündet, das sie in ihren Albträumen heimsuchte.
Es musste sich um ihn gehandelt haben. Er hatte zwar anders ausgesehen, trotzdem musste er es gewesen sein.
Und der weibliche Schrei?
Einer von Sheilas Geistern?
So etwas gab es nicht. Nichts, wovor man sich fürchten musste.
Nicht einmal die verlassene Schwärze der dunklen Gassen. Sie fühlte sich in diesem Moment
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