Night Sky 1 - Sklave des Blutes (German Edition)
witterte. Er sog die Nachtluft ein und schickte seine Sinne auf die Reise. Heute würde er eine Ausnahme machen und in der unmittelbaren Umgebung nach Nahrung suchen. Während er durch die Gegend raste, dachte er über Ny’lane nach.
Woher hatte Nyl gewusst, dass er ihn brauchte? Erst jetzt ging ihm auf, dass er denselben unbewussten Gedanken gehabt hatte, als Nyl des Nachts ins Schlafzimmer gestürmt war. Er hatte sich nach seinem Befinden erkundigt und war nicht überrascht, dass er zusammengeschlagen worden war. Und vorhin war er in der allerletzten Sekunde erschienen, als hätte er ihm die Chance gegeben, sich zu fangen. Konnte Nyl seine Überlegungen über Entfernung lesen? Hatte er in der Ferne vernommen, wie der Blutdurst und ihr Duft ihn mit jeder Stunde mehr gefangen nahmen, ihn willenlos werden ließen? Nyl hatte dies stets verneint, aber unter Umständen hatte er ihn angelogen.
Ein Paar schlenderte die erste Querstraße entlang. Sie roch nach drei Glas Champagner und er nach einem Joint und Wodka, doch heute durfte er nicht wählerisch sein, zumindest verströmten sie weder unangenehmen Schweißgeruch noch kränkelten sie. Jonas pirschte sich bis auf wenige Yards an sein Opfer. Es juckte ihn in den Fingern, die Frau mit den straßenköterblonden Haaren an sich zu reißen, ihr Blut zu trinken, den einzig wahren Höhenflug zu erleben, aber er rief sich vor Wut zitternd zur Ordnung. Er wusste, dass er in seinem labilen Zustand ohne das jahrelange Training sicher schwach geworden wäre, doch das heiterte ihn nicht auf. Allein, dass der Drang ihm heiß durch die Adern pulsierte, genügte. Blitzschnell stand er hinter den beiden, packte den Mann an der Schulter, wirbelte ihn herum, fing ihn im Rückwärtsfall auf und schlug die Fänge in den stoppelhaarigen Hals. Der große Körper entspannte sich wegen seines beruhigenden Speichels, während das warme Elixier ihm in den Rachen rann und er in gierigen Zügen trank. Keine Sekunde später schnappte seine Hand zu, zog das Gesicht der Frau an der Kehle heran, bis er ihr tief in die Augen blicken konnte. Sie röchelte und er löste den Griff, fasste sie stattdessen im Nacken, zog sie noch näher. Ihr Blick schoss panisch zwischen dem Kopf ihres bewegungslosen Begleiters und Jonas’ Mund an dessen Hals hin und her. Er wollte sie nicht leiden sehen, doch es war ihm gerade unmöglich, von dem Blut zu lassen. Wenn er sich jetzt von dem Kerl zurückzog, würde er in seinem unbefriedigten Rausch sie an seiner statt nehmen. Deshalb hielt er sie unnachgiebig gepackt und hypnotisierte sie, so weit er es vermochte.
Jonas versiegelte die Bissstellen, verzog wegen der kratzenden Barthaare auf der empfindsamen Zunge das Gesicht, unterdrückte das Ekelgefühl und nahm ihnen die Begegnung mit ihm. Er zog sich unbemerkt bis zu einem Baumstamm zurück und beobachtete, wie die beiden ein wenig verwirrt ihren Weg fortsetzten. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich an den Stamm, ließ die Droge wirken, die ihn heiß durchströmte.
Ein hauchzartes Ziepen in seinem Kopf verpasste ihm ein Stirnrunzeln. Elassarius, einer der Wächter vom Tor, rief ihn auf telepathischem Wege. Seit er das Oberhaupt war, meldeten sie sich bei ihm, wenn er in der Umgebung war, woran er sich noch gewöhnen musste.
„Was?“, übermittelte er auf dieselbe Weise zurück.
„Eine Limousine vom Ritz verlangt Einlass zum Anwesen.“
Jonas zuckte zusammen. „Sinn?“
„Abholung der auf den Eingangsstufen wartenden menschlich, weiblichen Besucherin.“
Er knirschte mit den Zähnen und rauschte die lange Allee entlang, bis ihm klar wurde, dass es verkehrt war, was er impulsiv tun wollte. Er zwang sich, stehen zu bleiben, obwohl sein Körper aufgeputscht protestierte. Jonas schloss die Augen. „Ein- und Ausfahrt mit Gast genehmigt.“
Schwer atmend lehnte er sich an eine der vielen grundstücksabzäunenden Mauern und vergrub die geballten Fäuste an seiner Brust, die schmerzte, als risse ihm jemand den Brustkorb auseinander. Sie ging! Cira verließ das sichere Anwesen. Sie verließ ihn! Sein Körper fing vor Anspannung an zu beben, es kostete ihn seine gesamte Kraft, sie gehen zu lassen. Als der Chrysler mit den getönten Scheiben auf der anderen Straßenseite Richtung City davonfuhr, entwurzelte Jonas den dicken Baum, an den er sich klammerte, bis seine Sinne den Wagen nicht mehr erfassten.
All seine Wut fiel von ihm ab und er schritt kraftlos die lange Auffahrt hinauf ins Schloss, begab sich in seine
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